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  • Raritäten

    Als ich, fasziniert von Historie und Materialreichtum, durch den wunderbar bebilderten Band The Card Catalog der Library of Congress blätterte, fiel mir auf einer der dort abgedruckten Karteikarten auf, daß die Erstausgabe von James Joyces Ulysses (Paris, 1922) auf 1000 Exemplare limitiert gewesen sei und daß hundert davon signiert seien. Ein Text fügt ergänzend unter dem Faksimile an, daß ebenjene mit einem Autogramm versehenen Exemplare auf handgemachtem niederländischem Papier gedruckt worden seien. Wie edel, wenn man bedenkt, daß die ersten Rezensenten Ulysses als obszönes und sündhaftes Werk gebrandmarkt hatten, oder mit einem Buchtitel des Literaturhistorikers Kevin Birmingham summierend gesprochen: als »the most dangerous book«.

    No. 65

    Nun ist ersichtlich, daß die Washingtoner Kongreßbibliothek, die mit 164 Millionen Medieneinheiten zweitgrößte Bibliothek der Welt hinter der British Library in London, im Besitz von Nummer 65 ist. – Ich blickte hinaus in den trüben Septembermorgen und fragte mich, wo wohl die Nummern 1 und 100 zu finden sind.


    The Library of Congress. The Card Catalog. Books, Cards, and Literary Treasures. Foreword by Carla Hayden. Chronicle Books, 2017, p. 141.

    Kevin Birmingham. The Most Dangerous Book. The Battle for James Joyce’s Ulysses. Head of Zeus, 2014.

    → 8:00 AM, Sep 1
  • Die dritte Kategorie

    In einem Beitrag für die New York Times macht Kevin Mims darauf aufmerksam, daß sich in einer (Privat-)Bibliothek nicht nur gelesene und ungelesene Bücher befänden, sondern daß – und diese dritte Kategorie scheint die wirklich wichtige zu sein – dort auch teilweise gelesene Bücher ihren Platz hätten: »The sight of a book you’ve read can remind you of the many things you’ve already learned. The sight of a book you haven’t read can remind you that there are many things you’ve yet to learn. And the sight of a partially read book can remind you that reading is an activity that you hope never to come to the end of.« Partiell gelesene Bücher sind Bücher auf Stand-by. Sie gemahnen uns, daß da noch etwas ist, daß die Geschichte weitergeht, daß noch Arbeit vor uns liegt. Doch sie üben keinerlei Lektüredruck auf uns aus. (Man darf nicht vergessen, daß einige Bücher speziell auf das Anlesen ausgerichtet sind: Lexika, Handbücher, Anthologien et cetera.) Letztlich betrachtet man die teilweise gelesenen Bücher der Privatbibliothek weder mit Enttäuschung noch mit Geringschätzung, sondern mit Neugier auf das, was bisher noch verborgen ist. Viele Bücher sind darüber hinaus zum Unangetastetsein und -bleiben bestimmt; sie entfalten erst so ihre (vielleicht mahnende) Wirkung. Daß sie schon da sind, im Regal sind, für später oder nie, vermittelt eine nicht zu unterschätzende Beruhigung auf ihren Besitzer, den potentiellen Leser. Und was die Tagesform betrifft: Vielleicht ist man erst in Jahrzehnten fit genug, um auf die Leiter zu steigen und zur Kant-Biographie im hintersten, verstaubten Winkel seiner Privatbibliothek zu greifen. Manchmal ist die Zeit einfach noch nicht reif.


    Kevin Mims. »All Those Books You’ve Bought but Haven’t Read? There’s a Word for That.« The New York Times, Oct. 8, 2018, https://www.nytimes.com/2018/10/08/books/review/personal-libraries.html.

    → 8:40 AM, Oct 9
  • Privatbibliothek

    »Es gibt«, sagt Werner Oechslin, »kein überholtes und daher wertloses Wissen. Das ist ein Vorurteil der Moderne, ein falscher Fortschrittsglaube.« Oechslin und seine beeindruckende Privatbibliothek scheinen aus der Zeit gefallen zu sein, doch sie sind vielmehr Felsen im aufbrausenden Meer der Orientierungslosigkeit.

    Urs Hafner. »Ein Kosmos der Gelehrsamkeit.« Neue Zürcher Zeitung, 20. Jan. 2012, https://www.nzz.ch/ein_kosmos_der_gelehrsamkeit-1.14423808.

    [Ursprünglich gepostet auf Google+]

    → 9:00 AM, Jan 20
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