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  • URL-Macro

    Sie kennen das: Sie schreiben einen Text im Textverarbeitungsprogramm Ihrer Wahl und möchten ein Zitat einer Webseite einfügen, das Sie gerade entdeckt haben. Sie markieren also die entsprechende Passage, kopieren sie, wechseln zurück in Ihr Textverarbeitungsprogramm und fügen sie dort ein. Nun fehlt Ihnen jedoch die Quelle dieses Zitats! Sie müssen also zurück in den Browser, die Adreßzeile markieren, den URL kopieren, zurück ins Dokument und die Webadresse einfügen. Sicherlich hätten Sie schon beim ersten Kopierdurchgang auch gleich den URL mitnehmen können, etwa mit Hilfe eines Clipboard-Managers wie Paste, den ich selbst intensiv nutze. Doch derartige Kleinigkeiten vergißt man häufig, zumal man ja auch mit seinen Gedanken beim eigentlichen Text ist, an dem man gerade arbeitet. Unterbrechungen der Denk- und Schreibarbeit sollten bekanntlich so gering wie möglich sein.

    Aus diesem Grunde habe ich das Kopieren und Einfügen des URL an Keyboard Maestro delegiert, einer unglaublich mächtigen Automatisierungssoftware für macOS, deren Nutzen ich mehr und mehr auch für das schreibende und recherchierende Geisteswissenschaftsvolk sehe. Ich kratze bislang bloß an der Oberfläche und wäre ohne all die Dokumentationen und Hilfen im Internet wohl hoffnungslos verwirrt und verloren; für ein relativ simples Macro reicht es so gerade.

    Durch diese im Hintergrund ablaufende Routine kann ich nach dem Einfügen des Zitats in meinem Textverarbeitungsprogramm bleiben; eine selbstgewählte Tastenkombination (in meinem Fall ⌥⌘U) löst den Prozeß aus und fügt automatisch den URL und dessen Abrufdatum an die Stelle des Cursors ein. (Beispielhaft sei hier die Hauptseite meines Blogs angefügt: »https://denkkerker.com, abgerufen am 25.06.2019.«) Das Ergebnis: Weniger Klicks, weniger Sprünge zwischen Programmen, weniger Ablenkung.

    Addendum & Vereinfachung

    Nach dem folgenden Hinweis, den mir der Twitter-Account von Keyboard Maestro zukommen ließ, habe ich das Macro angepaßt und ergänzt.

    Zusätzlich zum nunmehr verkürzten Weg habe ich neben URL und Abrufdatum als ersten Schritt noch den Titel der jeweiligen Webseite hinzugefügt. Dazu muß man allerdings im Browser zunächst Allow JavaScript from Apple Events aktivieren. Wie das geht, erklärt das Keyboard Maestro Wiki.

    Löse ich jetzt den Prozess per ⌥⌘U aus, erhält man das folgende Ergebnis (als Beispiel habe ich einen aktuellen Artikel der New York Times gewählt): »On the Centennial of Iris Murdoch’s Birth, Remembering a 20th-Century Giant - The New York Times, https://www.nytimes.com/2019/06/25/books/iris-murdoch-centennial.html, abgerufen am 25.06.2019.« Eine elegante Quellennennung mit nur einem Tastatur-Shortcut!

    → 9:30 AM, Jun 25
  • Einem unbekannten Christus

    Im Kapitel »Transzendentale Logik der Hermeneutik: Unterstellung von Rationalität« seiner Kritik der verstehenden Vernunft gibt Vittorio Hösle die folgende Anekdote in einer Fußnote zum besten: »Ein Medizinstudent erzählte mir, er habe am Anfang seiner Arbeit in einer Psychiatrischen Klinik einem Patienten, der sich für Christus hielt, erklärt, er könne nicht Christus sein, denn er komme gerade von jemandem in einer anderen Abteilung, der behauptet habe, er selber sei Christus. Der Patient reagierte mit herablassendem Lächeln: ›Aber verstehen Sie denn nicht, wo sie [sic!] sind, Herr Doktor? In der Psychiatrie! Der Mann ist eben verrückt.‹« Man fühlt sich hierbei an Thales’ Ansicht, daß alles voll von Göttern sei, erinnert (Aristot., an. A5, 411a 8), mit den gewichtigen Unterschieden, daß dort eine Klinik, hier der gesamte Kosmos gefüllt ist, und zwar hier mit Göttern, dort mit Khrīstoîs.


    Vittorio Hösle. Kritik der verstehenden Vernunft. Eine Grundlegung der Geisteswissenschaften. C.H.Beck, 2018, p. 311 [FN 282].

    → 9:00 AM, Dec 1
  • Die Quelle des Genies

    Die zweite Seite des George-North-Manuskripts, die die Passage zeigt, die Shakespeare zum Schreiben des Eröffnungsmonologs in »Richard III.« verwendete

    Die New York Times berichtet, daß zwei findige Forscher, Dennis McCarthy und June Schlueter, mit Hilfe der Plagiatssoftware WCopyfind herausgefunden hätten, daß sich William Shakespeare zu elf seiner Stücke von dem unveröffentlichten Manuskript A Brief Discourse of Rebellion & Rebels, verfaßt von George North im späten 16. Jahrhundert, habe inspirieren lassen. »It [the source] affects the language, it shapes the scenes and it, to a certain extent, really even influences the philosophy of the plays«, so McCarthy. Das Auffinden des Manuskripts war mühsam; es wurde schließlich in der British Library entdeckt, die es 1933 erworben hatte. Rebellion and Rebels wurde nun bei Boydell & Brewer erstmals publiziert und kann für $ 120 beziehungsweise € 90,99 erworben werden. Die Quelle des Genies hat wahrlich ihren Preis.


    Michael Blanding. »Plagiarism Software Unveils a New Source for 11 of Shakespeare's Plays.« The New York Times, Feb. 7, 2018, https://www.nytimes.com/2018/02/07/books/plagiarism-software-unveils-a-new-source-for-11-of-shakespeares-plays.html.

    → 10:00 AM, Feb 8
  • Zwischen digitaler und Neuro-Geisteswissenschaft

    Ich befürchte, daß immer mehr vermeintlich geisteswissenschaftliche Disziplinen durch die Implementierung vermeintlich naturwissenschaftlicher Methoden eine höhere Akzeptanz, verbesserte Plausibilität und letztlich eine Stärkung ihrer bröckelnden Existenzberechtigung zu erzielen versuchen. Oder mit den Worten Alissa Quarts: »Neurohumanities, then, is an attempt to provide the supposedly loosey-goosey art and lit crowds with the metal spines of hard science.« Und »hard science« bedeutet zugleich auch die Möglichkeit, »hard money« zu scheffeln. Man muß die Entwicklung dieser noch seltsam anmutenden interdisziplinären Verquickung abwarten, vor allem aber ihre Ergebnisse. Noch würde ich mich Jennifer Ashton anschließen, die in Quarts Artikel mit den Worten zitiert wird: »How your brain is firing won’t tell you if something is ironic, metaphorical or meaningful or if it is not.«

    Alissa Quart. »Adventures in Neurohumanities.« The Nation, May 8, 2013, [www.thenation.com/article/a...](https://www.thenation.com/article/adventures-neurohumanities/.)

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    → 8:00 AM, May 10
  • Außenseiter

    Seit einigen Wochen schon lese ich mit großem Gewinn in Hans Mayers zuerst 1975 erschienenem und 2007 aus Anlaß Mayers 100. Geburtstag wiederaufgelegtem opus magnum Außenseiter. Ich habe das Buch im April zufällig (!) bei Zweitausendeins in Münster entdeckt – von € 15 auf € 7,95 heruntergesetzt. Da mich die Figur des Fremden, des Anderen, des Außenseiters schon immer fasziniert hat, habe ich es ohne groß zu überlegen einfach mitgenommen. Ich hatte vorher noch nie von Hans Mayer (1907-2001) gehört. Er war Professor für Literaturwissenschaft in Leipzig, Hannover und Tübingen.

    Schon nach den ersten Seiten wurde mir klar, daß hier ein breitgebildeter, großer Stilist am Werk ist, den ich mit Hans Blumenberg vergleichen möchte. Das Buch beginnt mit dem Satz: »Dies Buch geht von der Behauptung aus, daß die bürgerliche Aufklärung gescheitert ist.« Bäng! Das sitzt! Seine These verifiziert Mayer auf den kommenden 464 Seiten (mit Anhang und Personenregister sind es 508) anhand von existentiellen Außenseiterfiguren, von starken Frauen, Homosexuellen und Juden aus der Literaturgeschichte. Man könnte sagen, daß Mayer hier einen großen Überblick über abendländische Hauptwerke der Literatur schlägt, und wie er dies macht, ist keine Sekunde lang ermüdend!

    Er behandelt Jeanne d’Arc bei Schiller, Brecht, Shaw und Wischnewski, George Eliot und George Sand, Dürrenmatt und Pinter, Marlowe, Shakespeare, Winckelmann, Heine, Platen, Andersen, Verlaine, Rimbaud, Ludwig von Bayern, Tschaikowski, Wilde, Gide, Klaus Mann, Sarte und Genet, Shylock, Heine, Dickens, Proust, Joyce… Beim Tippen fällt mir erst so richtig auf, was alles in diesem unscheinbaren Buch steckt! Eine wahre Fundgrube des Wissens!

    Auch wenn ich momentan erst auf Seite 247 bin – ich könnte keine bessere Empfehlung aussprechen! (Ist es ein Zufall (!), daß es sich wieder um ein Suhrkamp-Buch – noch dazu um ein gebundenes – handelt?) Der Außenseiter dient Mayer dazu, breitgefächert Anekdoten zu erzählen, essayhaft ein Kompendium der Literaturgeschichte zu schreiben, das eigentlich auf jede Literaturliste für Geisteswissenschaftler gehört.

    Hans Mayers Außenseiter zum 100. Geburtstag des Autors

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    → 8:00 AM, Jul 30
  • Publish or perish?

    Jürgen Kaube macht in der heutigen F.A.Z. auf eine Untersuchung des amerikanischen Anglisten Mark Bauerlein aufmerksam, die in erschreckender Weise darlegt, daß die Geisteswissenschaften ein Produktionssystem erzeugt haben, das Geschriebenes in hohem Maße erzeugt, während zugleich die Abnehmer, die Leser, fehlen. Man sollte sich daher Schopenhauers Wort zu Herzen nehmen, nach dem man nur dann schreiben sollte, wenn man etwas zu sagen habe.

    Jürgen Kaube. »Eine Industrie ohne Abnehmer.« Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. Jan. 2012, N5.

    Mark Bauerlein. »The Research Bust.« The Chronicle of Higher Education, Dec. 4, 2011, https://www.chronicle.com/article/The-Research-Bust/129930/.

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    → 9:00 AM, Jan 4
  • Free Will

    Is free will a matter of definition? Is it an illusion, a fiction? How would ›the death of free will‹ change our world, our moral and legal concepts? How can inductive – or deductive, or perhaps even ›abductive‹ – inferring explain the way free will is working? Saying free will is an illusion is »like inferring from discoveries in organic chemistry that life is an illusion just because living organisms are made up of non-living stuff«, Eddy Nahmias writes in his discussion of that ›big issue‹. He argues that »neuroscience does not kill free will«, perhaps because it’s not (yet) able to do so: Against the background of Charles Sanders Peirce’s ›Theory of Cognition‹ and its so called »Four Incapacities Claimed for Man«, human beings have »no conception of the absolutely incognizable«, and I think free will is such an incognizable entity. Would the death of free will be the death of God?

    Eddy Nahmias. »Is Neuroscience the Death of Free Will?« The New York Times, Nov. 13, 2011, https://opinionator.blogs.nytimes.com/2011/11/13/is-neuroscience-the-death-of-free-will/.

    [Ursprünglich gepostet auf Google+]

    → 9:00 AM, Nov 14
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