Zulächeln

Ich stoße in Manfred Geiers Parallelbiographie auf einen Ausspruch Wittgensteins, der mit seiner poetischen Prägnanz auch in unserem Zeitalter der ›Fernliebe‹ hätte geäußert werden können: »Was ich gern hätte, wäre jemand, dem ich gelegentlich zulächeln könnte.« Während ich Bilder betrachte, in Erinnerungen schwelge oder schreibe, ertappe ich mich dabei, dem abwesenden Anderen zuzulächeln; doch es ist nicht dasselbe. Es ist ein Zulächeln, das verpufft, das sein Ziel verfehlt und im Einsamen verhallt. Dieses Zulächeln ist nur an mich gerichtet, es ist allein meine Reaktion, die ich allein mit mir teile, doch möchte ich nicht ausschließen, daß es den Fernen auch irgendwie trifft wie die Berührung eines vergessenen Traumes. Gelegentliches Zulächeln bedeutet: Ich bin noch da, es gibt mich noch, ich bin das Lächeln auf dem Weg zu dir.


Manfred Geier. Wittgenstein und Heidegger. Die letzten Philosophen. Rowohlt, 2017, p. 341.

Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim. Fernliebe. Lebensformen im globalen Zeitalter. Suhrkamp, 2011.

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