Status quo oder: Von Blogbrachen und Blogumbrüchen
Der Status quo von denkkerker.com kann seit dem Sommer mit dem agrarökonomischen Begriff der »Brache« belegt werden. Diverse Nebenprojekte verhinderten ein kontinuierliches Weiterführen des Blogs; das Umbrechen des unbestellten Digitalackers wurde nicht vorgenommen. Doch je näher das Jahresende rückte, desto mehr empfand ich den Drang und die Lust, das Bloggen 2024 mit einer gewissen Seriosität und vor allen Dingen mit Kontinuität wiederaufzunehmen.
Blicke ich zurück auf die etwa 13 Jahre, die dieser Blog nun Bestand hat, kann ich nur wenig Traffic feststellen. Die Statistiken, die Wordpress liefert, sprechen eine deutliche Sprache. Der bislang meistgeklickte Beitrag ist – mit Ausnahme der Startseite – die leicht überarbeitete Version eines Kapitels meiner Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 mit dem Titel »Ferdinand de Saussure: Die Sprache als Begriffsdublette«, veröffentlicht am 22. Februar 2013; das bislang zugriffsstärkste Jahr ist 2021 gewesen. Nun rührt das sechsmonatige Unbebautsein dieses öffentlichen Textgrundstücks auch vom Fokus auf ein ganz persönliches, ganz privates Pendant her. Seit März 2023 verwende ich die Tagebuch-App Day One, und zwar täglich, sprich seit nunmehr 306 Tagen.
Day One (Screenshot Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Dezember 2023)
Man hat in den letzten Jahren schon öfters den Trend beschrieben, daß sich Internetnutzer mehr und mehr aus der digitalen Öffentlichkeit – und das bedeutet vor allem aus den sogenannten ›sozialen Medien‹ – zurückziehen in die kleineren, intimen und sicheren Welten der Direktnachrichten (DM) und geschlossenen Chat-Gruppen, sei es bei WhatsApp, Signal oder iMessage. Dennoch ist das Verlangen groß, einerseits Aufmerksamkeit zu erzeugen, andererseits etwas Sinn- und Wertvolles für eine potentielle globale Leserschaft zu generieren und zu hinterlassen. Die Blog-Themen, mit denen ich mich in den letzten gut zehn Jahren beschäftigt habe, kreisen zumeist um die Beatles, um philosophische Anekdoten, um Literatur, Rezensionen, Biographisches. Meine Überlegungen, denkkerker.com zu diversifizieren, die geisteswissenschaftlichen mit technischen Themen anzureichern, die mich interessieren und faszinieren, werde ich ab 2024 verfolgen. Mit dieser Strategie soll – um bei der Metapher der Brachlandschaft zu bleiben – eine Bodenverarmung verhindert werden.
Zur thematischen Neugewichtung kommt die Verwendung von MarsEdit, eines Blog-Post-Editors für Mac, den ich ab 2024 verstärkt einzusetzen gedenke, denn MarsEdit ist seit gut drei Jahren auf meinem Rechner installiert, führte jedoch bislang ein Nischen- und Brachedasein.
MarsEdit (Screenshot Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Dezember 2023)
Ob diese Art des Bloggens Verbesserungen bereithält, soll im kommenden Jahr quasi experimentell und live überprüft werden.
Bei all den schaurig-schönen Fortschritten der sogenannten ›Künstlichen Intelligenz‹, die in den letzten zwölf Monaten wesentlich durch die (voreilige?) Veröffentlichung und Popularisierung von ChatGPT beobachtet werden konnten, scheint das Bloggen ein Kampf gegen Windmühlen zu sein, da jedes veröffentlichte Wort die sogenannten Large language models (LLM) unkompliziert und kostenlos füttern wird. Mit dieser lexikalischen Verköstigung (die jüngst erhobene Klage der New York Times wegen massiver Urheberrechtsverletzung richtet sich gegen die Zechpreller OpenAI und Microsoft) arbeitet man, wenn nicht an der eigenen Abschaffung, so doch am Aufbau und der Stärkung eines schier übermächtigen, weil übermenschlichen Gegners, dessen Bezeichnung als ›Assistent‹, ›Muse‹ oder ›Co-Autor‹ nur eine euphemistische sein kann. Dennoch darf man weder die Flinte ins Korn noch die Feder ins Mäppchen werfen – man muß Rosinante satteln!
Schließlich sollte ich mich um eine Balance bemühen, die sich zwischen dem privaten Tagebuchführen bei Day One und dem öffentlichen Bloggen auf denkkerker.com etabliert, und zwar immer auch mit dem Wissen, daß ein Blog, ein Weblog also, ursprünglich als ein öffentlich geführtes Log- bzw. Tagebuch Mitte/Ende der 1990er Jahre entstanden ist. Die Herausforderung besteht nun darin, Text- als Kulturbrache, Text- als Feldblöcke in den jeweiligen Gebieten sinnvoll einzusetzen und sie nutz- und urbar zu machen. Und das wäre schon ein brachial guter Vorsatz fürs neue Jahr.