Im Westen was Neues

Assoziationsräume kontinentaler Dimensionen taten sich auf, als ich kürzlich über einen unscheinbaren Druckfehler stolperte. Im Habermas-Themenheft der Zeitschrift für Ideengeschichte findet sich der folgende Satz:

Die Strauss’sche Pointe erinnert an ein Bonmot des Habermas-Schülers Claus Offe zur Zeit des Mauerfalls, nachdem es für den Western nun darauf ankäme – nicht nur besser, sondern gut zu sein.

Gemeint ist hier natürlich nicht das Kino-Genre des Westerns, sondern der Westen, sprich die politische Welt der NATO-Staaten et al., die dem Ostblock entgegenstanden. Daß sich nun dieser Tippfehler ausgerechnet in einem Text befindet, der sich mit einem Brief des in Chicago (und damit auf der nordamerikanischen Bühne des Westerns) lehrenden Leo Strauss an Jürgen Habermas vom 27. April 1964 beschäftigt, ist ebenso verblüffend wie der Name des Autors dieses Kurzbeitrags: Der 1957 geborene, an der Universität Halle-Wittenberg lehrende Politikwissenschaftler Harald Bluhm öffnet unbeabsichtigt einen weiteren Assoziationskanal ins Land des Westerns durch die Ähnlichkeit seines Namens mit dem des 2019 verstorbenen amerikanischen Literaturwissenschaftlers Harold Bloom.

So werden Gedankenräume durch einen zusätzlichen Buchstaben besiedelt und erobert, was den politischen Westen in einen mythischen verwandelt.


Harald Bluhm. »Ein politischer Denkzettel aus Chicago. Leo Strauss liest die Leviten.« Zeitschrift für Ideengeschichte, Heft XV/3, Herbst 2021, pp. 28-30, hier p. 30.


Seiner Zeit voraus

In einem Auszug aus Erica Benners Monographie Be Like the Fox. Machiavelli in His World (Norton, 2017) stoße ich auf die folgende Passage: »Several years after writing the Prince, he [Machiavelli] wrote to a close friend that for a long time I have not said what I believed, nor do I ever believe what I say. And if sometimes I do happen to tell the truth, I hide it among so many lies that it is hard to find.« Wüßte ich nicht, daß dieses Zitat gut 500 Jahre alt ist, ich würde es einem Poststrukturalisten – Foucault, Barthes oder Derrida – zuordnen.


Erica Benner. »How Machiavelli Trolled Europe’s Princes. Machiavelli’s advice for rulers was ruthless and pragmatic—and he may have intended for it to secretly destroy them.« The Daily Beast, May 6, 2017, http://www.thedailybeast.com/articles/2017/05/06/how-machiavelli-trolled-europe-s-princes.html.