Mirko Bonné
Die menschlichen Jahreszeiten
An John Keats’ 200. Todestag
Four seasons fill the measure of the year; There are four seasons in the mind of man. He has his lusty Spring, when fancy clear Takes in all beauty with an easy span. He has his Summer, when luxuriously Spring’s honeyed cud of youthful thought he loves To ruminate, and by such dreaming nigh His nearest unto heaven. Quiet coves His soul has in its Autumn, when his wings He furleth close; contented so to look On mists in idleness - to let fair things Pass by unheeded as a threshold brook. He has his Winter too of pale misfeature, Or else he would forego his mortal nature.
Charles Brown: John Keats, 1819
Vier Zeiten füllen eines Jahres Maß; Es gibt vier Zeiten in des Menschen Geist. Er steht im satten Frühling seines Jahrs, Wenn Phantasie das Schöne klar umreißt. Er steht im Sommer, wenn er nochmals spürt, Wie honigsüß der Frühling, jugendlich Sein Denken war und, nur vom Traum geführt, Wie nah dem Himmel. Schlupfwinkel für sich Hat seine Seele dann im Herbst und rollt Die Flügel ein; beruhigt so, schaut er aus Nach Nebeln - lässig läßt er alles Gold Vorbeiziehn, achtlos wie den Bach vorm Haus. Auch ist sein Winter bleich voll Mißgestalten, Sonst würde er sich für unsterblich halten.
[Entstanden im März 1818 in Teignmouth.]
John Keats. »The Human Seasons/Die menschlichen Jahreszeiten.« Werke und Briefe. Lyrik (Englisch/Deutsch), Verserzählungen, Drama, Briefe. Ausgewählt und übertragen von Mirko Bonné unter Verwendung der Briefübersetzungen von Christa Schuenke. Nachwort von Hermann Fischer. Reclam, 1995, p. 114-5; 427.
Empfohlene Variante
Soeben wurde ich in meiner vor einigen Jahren vollzogenen Rückkehr zur sogenannten ›alten Rechtschreibung‹ bestärkt. In Sherwood Andersons Erzählungsreigen Winesburg, Ohio (Frankfurt a. M.: Schöffling & Co., 2012) las ich folgenden Satz: »Vor dem Käfig stehen bleibende Kinder sind fasziniert, Männer wenden sich angewidert ab, und Frauen verweilen kurz und versuchen sich vielleicht zu entsinnen, welcher ihrer männlichen Bekannten wohl eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Viech hat.« (125) Der Übersetzer, Mirko Bonné, hätte sich besser nach der empfohlenen Variante »stehenbleiben« (also der alten Rechtschreibung dieses Verbs!) richten sollen, denn dadurch wäre ein Stocken und Zögern und Nachdenken beim Lesen verhindert worden: Da sind also bleibende Kinder, die vor dem Käfig stehen und fasziniert sind? Nein, da stehen bleibende Kinder! Nein, die Kinder sind vor dem Käfig ›stehengeblieben‹ und sind fasziniert! Mich fasziniert diese Getrenntschreibung garnicht, Pardon: gar nicht.
[Ursprünglich gepostet auf Google+]