Statistik
Angewandte Statistik
In der Financial Times schärft der 1967 geborene US-amerikanischer Science-Fiction-Autor Ted Chiang den Blick auf die Künstliche Intelligenz (KI), indem er sie anders und dadurch präziser bezeichnet:
Anthropomorphe Begriffe wie ›lernen‹, ›verstehen‹, ›wissen‹ und Personalpronomen wie ›ich‹, die KI-Ingenieure und Journalisten auf Chatbots wie ChatGPT projizieren, schaffen eine Illusion. Diese voreilige Kurzschrift
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verleitet uns alle dazu, sagt er, selbst diejenigen, die mit der Funktionsweise dieser Systeme bestens vertraut sind, in KI-Tools einen Funken Gefühl zu sehen, wo es keines gibt. »Vor einiger Zeit gab es einen Austausch auf Twitter, bei dem jemand fragte: ›Was ist künstliche Intelligenz?‹ Und jemand anderes sagte: ›Eine schlechte Wortwahl im Jahr 1954‹«, berichtet Chiang. »Und, wissen Sie, sie haben Recht. Ich glaube, wenn wir in den 50er Jahren einen anderen Begriff dafür gewählt hätten, hätten wir vielleicht einen Großteil der Verwirrung vermieden, die wir jetzt haben.« Wenn er also einen Begriff erfinden müßte, wie würde er lauten? Seine Antwort ist schnell gegeben: angewandte Statistik.
So betrachtet, so bezeichnet, müßte die so bedrohlich wirkende KI heutiger Prägung unter dem Dach des Statistischen Bundesamtes (StBA) oder einer globalen Statistikbehörde à la Our World in Data untergebracht und benutzt werden.
Zahlenspielereien
Im Zuge ihrer umfangreichen Berichterstattung rund um den höchst kontroversen und bald neuen US-Präsidenten Donald Trump, wirft die New York Times einen Blick auf die Menschenmassen, die bei unterschiedlichen Inaugurationen (vermeintlich) anwesend waren. So hätten, basierend auf der Analyse einer historischen Photographie, bei der Amtseinführung Abraham Lincolns am 4. März 1861 gut 7.350 Menschen dem Spektakel in Washington, D. C. beigewohnt. Ausgehend von Satellitenaufnahmen vom Tag der Amtseinführung Barack Obamas am 20. Januar 2009 schätzt man die Masse auf 1,8 Millionen Individuen! Doch erst wenn man diese Zahlen mit der Gesamtbevölkerung in Relation setzt, wird der immense Zuwachs deutlich: Folgt man dem United States Census des Jahres 1860, betrug die Bevölkerungszahl zu jener Zeit 31.443.321. Gut 150 Jahre später, im Jahr, in dem Obama zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde, zählte man 303.064.548 US-Bürger. Demnach pilgerte 1861 gut 0,02 % der Bevölkerung zur Amtseinführung, 2009 stand 0,59 % vor dem Capitol. Wie viele – seien es Unterstützer, seien es Protestler – wird Trump anziehen?
Tim Wallace. »From Lincoln to Obama, How Crowds at the Capitol Have Been Counted.« The New York Times, Jan. 18, 2017, https://www.nytimes.com/interactive/2017/01/18/us/politics/How-Crowds-at-the-Capitol-Have-Been-Counted.html.
1860 Census, https://www.censusrecords.com/content/1860_Census.
»United States of America (USA) population history.« United States of America (USA) Population, http://countrymeters.info/en/United_States_of_America_(USA).
Korrigenda
Bei den 1,8 Millionen des Jahres 2009 handelte es sich um eine Schätzung. De facto hätten sich etwa 460.000 Menschen auf den National Mall versammelt, was den Prozentsatz von 0,59 auf 0,15 reduziert.
Tim Wallace, Karen Yourish und Troy Griggs. »Trump’s Inauguration vs. Obama’s: Comparing the Crowds.« The New York Times, Jan. 20, 2017, https://www.nytimes.com/interactive/2017/01/20/us/politics/trump-inauguration-crowd.html.