Stuhl
Wortschatzerweiterung
Ein Beitrag des Deutschlandfunks erweiterte jüngst meinen Wortschatz: Ich erfahre, daß der von 1973 bis 1997 in Kassel lehrende und 2003 verstorbene Schweizer Soziologe und ›Promenadologe‹ Lucius Burckhardt Anfang der 1970er-Jahre ein experimentelles »Lehrcanapé« an der ETH Zürich eingerichtet hatte. Nun ist ein Lehrstuhl allseits bekannt; er bezeichnet die planmäßige Stelle eines Hochschullehrers, entlehnt vom altgriechischen καθέδρα, dem erhöhten Pult oder Lesestuhl, »von welchem aus ein unterricht vorgetragen wird« (DWB 12, Sp. 578). Ein Kanapee hingegen ist ein luxuriöseres, bequemeres und größeres Möbelstück als ein Stuhl, auf dem man nicht nur alleine sitzen kann. Und genau dies bildet den Kern des Burckhardtschen Konzepts: Sein Lehrcanapé sollte als architektur-soziologischer Treffpunkt dienen, ein Ort, der von zwei Disziplinen besetzt wird, ein Sitzsofa, auf dem man ins Gespräch kommt, kurzum ein Raum, den man zu zweit durchmessen kann. Nicht nur die Universitäten täten gut daran, derartige Lehrcanapés häufiger zu installieren.
Martin Schmitz. »Von der Urbanismuskritik zur Spaziergangswissenschaft. Querfeldein denken mit Lucius Burckhardt (1/3).« Deutschlandfunk, 14. Juni 2015, https://www.deutschlandfunk.de/querfeldein-denken-mit-lucius-burckhardt-1-3-von-der.1184.de.html?dram:article_id=319584