Technisch-Technologisches
Zwischen digitaler und Neuro-Geisteswissenschaft
Ich befürchte, daß immer mehr vermeintlich geisteswissenschaftliche Disziplinen durch die Implementierung vermeintlich naturwissenschaftlicher Methoden eine höhere Akzeptanz, verbesserte Plausibilität und letztlich eine Stärkung ihrer bröckelnden Existenzberechtigung zu erzielen versuchen. Oder mit den Worten Alissa Quarts:
Neurohumanities, then, is an attempt to provide the supposedly loosey-goosey art and lit crowds with the metal spines of hard science.
Und »hard science« bedeutet zugleich auch die Möglichkeit, »hard money« zu scheffeln. Man muß die Entwicklung dieser noch seltsam anmutenden interdisziplinären Verquickung abwarten, vor allem aber ihre Ergebnisse. Noch würde ich mich Jennifer Ashton anschließen, die in Quarts Artikel mit den Worten zitiert wird:
How your brain is firing won’t tell you if something is ironic, metaphorical or meaningful or if it is not.
Alissa Quart. »Adventures in Neurohumanities.« The Nation, May 8, 2013, https://www.thenation.com/article/adventures-neurohumanities/.
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»What will I think of me the day that I die?«
Passend zur Wahl der Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin, die Spiegel Online als »dritte große Zäsur in der Geschichte der Grünen« bezeichnet, erinnere ich an einen Song, den man als stille Mahnung an die Grundwerte der Grünen hören kann.
Als ich »Saltwater« erstmals vor etwa 20 Jahren auf MTV gehört und gesehen habe, wußte ich nichts, nichts von Julian Lennon, nichts von seinem Vater oder den Beatles, nichts von dem, was in dem Song thematisiert wird (was auch an meinen zur damaligen Zeit noch als rudimentär zu bezeichnenden Englischkenntnissen lag). Aber mir gefiel die Melodie und das Video faszinierte mich mit seinen visual effects (noch kannte ich den Yosemite Park nicht).
Was mich heute, 2012, verblüfft (oder schockiert), ist die Tatsache, daß sich nichts oder nur wenig an der Situation geändert hat. Noch immer leben wir auf einem kleinen, einem unbedeutenden Felsen, der um eine goldene Sonne kreist (woran sich selbstredend auch in den nächsten 20 Jahren nicht viel ändern dürfte), noch immer erforschen wir unbekannte Winkel unseres Planeten (menschliche Neugier), citius, altius, fortius (der olympische Gedanke, der Sportsphäre enthoben), und noch immer schenken wir den warnenden Stimmen in diesem grenzen- und rücksichtslosen »Streben nach Glück« (was heutzutage – ein pervertierter Epikureismus! – mit dem Streben nach Ruhm, Macht und Geld gleichzusetzen ist) kein Gehör.
Julian Lennon - Saltwater (1991, Official Music Video) »Saltwater«, das im August 1991 auf dem Album Help Yourself erschienen ist, ist Julian Lennons »Imagine«.
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Verdimmt noch mal!
Nachdem wir nun vollends in der Post-Glühbirnen-Ära leben (müssen!), in der vor gar nicht langer Zeit auch die einst so gepriesene Energiesparlampe durch Quecksilberbelastung untragbar geworden ist (vielleicht reagiert die frischgebackene Friedensnobelpreisträgerin EU ja darauf), habe ich meine Hoffnungen in die LED-Leuchtmittel gesteckt. Die Technik scheint hierbei besser zu funktionieren als die Orthographie, mit der sie großspurig beworben wird. Vielleicht sollten mehr Germanisten eingestellt werden.
90 % Lektoratsersparnis
Das Foto entstand in einem handelsüblichen Supermarkt Ihres Vertrauens.
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»To-day«
Obwohl einige Gedanken ›radikal‹ und ›erzkonservativ‹ anmuten, gehe ich doch im Kern mit Roland Reuß’ Sicht auf eine zunehmend digitalisierte Welt konform, in der Menschen zu Produkten, Bücher zu Medien und Bibliotheken zu Serviceunternehmen werden.
»›Online‹-Sein«, so Reuß, »bedeutet perforierte Aufmerksamkeit.« Hans Blumenberg schreibt in einer Vignette über das Zugrundegehen:
Es ist ein bescheidener Anspruch, einer Sache auf den Grund gehen zu wollen; es bedeutet nur, man könne sich mit ihrer Oberfläche nicht begnügen.
Vielleicht ist es in einer schnellebigen, oberflächlichen, stets mit Ablenkungen aufwartenden (virtuellen) Welt unmöglich geworden, in ein Thema, ein Konzept, ein Buch einzutauchen, sich dort aufzuhalten, es zu durchmessen und sich mit ihm auseinanderzusetzen. Jedenfalls scheint es heute schwieriger denn je zu sein.
Ende der Hypnose
(Nebeneffekt der Lektüre: Man bekommt den Wunsch, Dantes Göttliche Komödie sowie alles von John Ruskin zu lesen!)
Roland Reuß. Ende der Hypnose. Vom Netz und zum Buch. Frankfurt a. M. und Basel: Stroemfeld, 2012.
Hans Blumenberg. »Grund und Boden: Zugrundegehen, auf den Grund gehen, auf dem Boden stehen.« Die Sorge geht über den Fluß. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1987, pp. 97-100.
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Privatbibliothek
»Es gibt«, sagt Werner Oechslin, »kein überholtes und daher wertloses Wissen. Das ist ein Vorurteil der Moderne, ein falscher Fortschrittsglaube.« Oechslin und seine beeindruckende Privatbibliothek scheinen aus der Zeit gefallen zu sein, doch sie sind vielmehr Felsen im aufbrausenden Meer der Orientierungslosigkeit.
Urs Hafner. »Ein Kosmos der Gelehrsamkeit.« Neue Zürcher Zeitung, 20. Jan. 2012, https://www.nzz.ch/ein_kosmos_der_gelehrsamkeit-1.14423808
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Echtzeitbücher
Echtzeitbücher? Ist das nicht ein Oxymoron? Müssen Bücher ›schnell‹ sein, müssen sie mit der Aktualität von Twitter oder Facebook mithalten, ja können sie das überhaupt? Führt nicht ein schnell geschriebenes, schnell redigiertes, schnell publiziertes Buch zwangsläufig zum Verlust von Tiefe, Qualität und ›Reife‹, also zu all denjenigen Eigenschaften, die das Medium Buch auszeichnen? Suhrkamps neue »digital«-edition versucht, ein Bindeglied zwischen langsamem Analogen und schnellem Digitalen zu sein. Damit scheint ein ›warmes Medium‹ anvisiert zu werden, also die Erstellung eines Hybriden, das aus dem – um mit Marshall McLuhan zu sprechen – ›heißen Buch‹ und dem ›kalten Internet‹ bestehen soll.
Kilian Trotier. »Kurz, aber bitte mit Schmackes.« Die Zeit, 15. Dez. 2011, https://www.zeit.de/2011/51/Wiese-Suhrkamp
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