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  • Unverhoffte Nicht-Treffen

    Als Ergänzung und Konkretisierung seiner Erinnerungen, die Michael Krüger im Film Hans Blumenberg. Der unsichtbare Philosoph mitgeteilt hatte, kann sein Beitrag in der Winterausgabe 2019 der Zeitschrift für Ideengeschichte gelesen werden. In diesem mit »Unverhoffte Begegnung« betitelten Heft berichtet Krüger humoristisch von den nächtlichen Telefonaten, die er mit Blumenberg geführt hat, sowie von dem Versuch eines Treffens in Münster, dessen Nichtstattfinden über einen Zeitraum von fast vier Tagen schon slapstickhafte Züge trägt: »Wir einigten uns auf Montag gegen vier in einem Café, welches, wollte er [Blumenberg] mir [Krüger] noch durchgeben. Im Hotel fand ich eine Nachricht von ihm vor, dass es leider nicht ging, also Dienstag zum Mittagessen, was er leider absagen musste wegen einer dringend abzuschließenden Arbeit, aber vielleicht komme er zu meiner Lesung, zu der er natürlich nicht erschien, am Mittwoch hätten wir uns am Abend sehen können, wenn [der Zahnheilkundler Walter] Ritter nicht ein hervorragendes Ossobuco auf dem Herd gehabt hätte, und am Donnerstag bin ich zurück von Münster nach München gefahren, ohne Herrn Blumenberg gesehen zu haben.« (Ähnlich grotesk klingt das Nicht-Treffen von Pablo Picasso mit Herbert und Inge Marcuse an der Côte d’Azur, von dem Michael Krüger in seiner zweiten autobiographischen Vignette berichtet.)
    Ich erinnere mich, daß im oben erwähnten Blumenberg-Roadmovie auch eine Photographie Blumenbergs eingeblendet wurde, die den Altenberger in heller Sommerkleidung und in privater Atmosphäre zeigt, zu der Krüger, wenn ich mich recht entsinne, erklärte, daß er für eine Festschrift ein Bild von Blumenberg erbeten habe, allerdings keines, auf dem der Autor am Schreibtisch sitze oder vor einer opulenten Bücherwand stehe. In seinem Text schreibt Krüger, daß es ihm »gelungen war, für ein Sonderheft zu einem seiner [Blumenbergs] runden Geburtstage ein Foto von ihm zu erbetteln«, das »den Philosophen in Freizeitkleidung an einem Würstchengrill zeigt«. Bei dieser Arbeit am Grill würde wohl das Lachen der Thrakerin verstummen.
    Schließlich wartet Krüger mit einer weiteren biographischen Anekdote auf, und zwar daß Blumenberg »die weißen Kent[-Zigaretten]« bevorzugt habe und »dass er die Mainzer Akademie wegen des dort herrschenden Rauchverbots nicht mehr besuchen wolle«. Die Tabaksucht als Mittel zum Zeck; gelebte actio per distans! Zufälligerweise begegnet man dem Rauchen auf transformativer, unorthodoxer Art in Krügers dritter und seinen Text abschließender Glosse über Imre Kertész, allerdings in einer kleinen Abschweifung über eine Beobachtung bei Georg Lukács, die ich nicht unerwähnt lassen möchte: »Wenig später habe ich [Krüger] Lukács in seiner Wohnung an der Donau in Budapest besucht, um die Erlaubnis zum Nachdruck eines frühen Artikels zum Film einzuholen, und wurde Zeuge, wie er vor meinen Augen eine kalte Zigarre, die er während des Redens im Mund behielt, mehr oder weniger aufaß, jedenfalls war sie, als ich mich von ihm verabschiedete, weg.«


    Michael Krüger. »Blumenberg, Picasso, Kertész.« Zeitschrift für Ideengeschichte, Heft XIII/4, Winter 2019, pp. 19-26.

    → 11:20 AM, Nov 13
  • Verfehlungen freier Geister

    In Peter Neumanns salopp verfaßtem Panorama Jena 1800 springt mir die folgende Passage ins Auge, die als Ergänzung zu meinen hier, hier, hier, hier und hier bereits angeführten Verfehlungen mit einer ausführlicheren biographischen Untersuchung in Betracht gezogen werden sollte: »Voriges Jahr, auf der Herbstmesse 1797 in Leipzig, haben sie [Fichte und Schelling] sich zum ersten Mal getroffen, nachdem verschiedene Anläufe sowohl in Schellings Studienstadt Tübingen, wo Fichte einmal das Evangelische Stift besucht hatte, als auch zuletzt in Jena, zu Pfingsten, gescheitert waren. Stets hatten sie einander verpasst.« Wie bei so vielen interessant klingenden und mit beinahe relotiushaftem Dekor versehenen Anekdoten dieses Buches hätte man sich genaue Quellenangaben gewünscht.


    Peter Neumann. Jena 1800. Die Republik der freien Geister. 3. Aufl., Siedler, 2018, p. 57.

    → 11:15 AM, Oct 27
  • Eifersüchtiges Ausweichen

    Im Februar 1819 schrieb Adele Schopenhauer ihrem Bruder Arthur einen langen Brief, in dem sie ihm das folgende Versäumnis vorhielt: »In Venedig hast Du Byron nicht gesehen. Das ist mir höchst fatal und unerklärlich; denn wenig Dichter haben mich so angesprochen, wenigere haben mir den Wunsch sie zu sehen gegeben.« Wie kam es zu diesem Nicht-Treffen? Was steckte hinter dieser Verfehlung des berühmten Engländers mit dem noch nicht berühmten Deutschen?

    Am 23. September 1818 brach der 30jährige Arthur Schopenhauer – sein Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung hatte er nach vierjähriger Arbeit gerade abgeschlossen – aus Dresden zu seiner ersten Italienreise auf. Goethe hatte ihm am 9. August in einem Brief aus Karlsbad geschrieben: »Möge die italiänische Reise glücklich seyn! An Vergnügen und Nutzen wird es nicht fehlen. Vielleicht machen Sie von einliegender Carte Gebrauch.« So befand sich in Schopenhauers Reisegepäck auch jene Goethesche Karte, bei der es sich um ein Empfehlungsschreiben an Lord Byron handelte, von dem Goethe wußte, daß dieser sich seit geraumer Zeit im ›Land, wo die Zitronen blühn‹ aufhielt.

    Der 28jährige George Gordon Lord Byron war am 10. November 1816 in Venedig angekommen. Er wird insgesamt sechs Jahre im selbstgewählten italienischen Exil bleiben, wo er seinen Don Juan verfassen wird. Als ein solcher erschien er Percy Bysshe Shelley, der Byron im Herbst 1818 in Venedig – zu einer Zeit also, in der sich auch Schopenhauer dort aufhielt – einen Besuch abstattete, um nach dem Tod seiner Tochter Clara ein wenig Ablenkung zu finden. Benita Eisler schreibt in ihrer wunderbaren und detailreichen Byron-Biographie: »Während Byron seine nächtlichen Streifzüge durch Venedig schilderte, stieg in diesem [Shelley] abwechselnd Neid, Bewunderung und Abscheu auf. [...] Der puritanische und provinzielle Shelley war ernstlich schockiert (was zweifelsohne in Byrons Absicht lag) über all die Hinweise auf Byrons Verderbtheit.« Die Annahme liegt nahe, daß es diese lasterhaften Charaktereigenschaften waren, die Promiskuität, die Homosexualität, die ein Treffen Schopenhauers mit ebenjenem skandalumwitterten englischen Dichter durchkreuzt haben könnten. Doch ein anderer Grund wog mehr.

    Viele Jahrzehnte nach seiner Italienreise vertraute Schopenhauer dem Komponisten und Wagner-Schüler Robert v. Hornstein den Grund seines Nicht-Treffens mit dem nur um einen Monat älteren Lord Byron an. Der Philosophiehistoriker Kuno Fischer gibt diese Erinnerungen in seiner zuerst 1893 erschienenen Schopenhauer-Monographie mit den Worten wieder: »Als er [Schopenhauer] eines Tages auf dem Lido mit seiner Freundin spazieren ging, jagte plötzlich ein Reiter im Galopp an ihnen vorüber. ›Ecco il poeta inglese!‹ rief die Freundin aus und konnte den Eindruck Byrons nicht mehr vergessen. Dadurch wurde die Eifersucht Schopenhauers dergestalt erregt, dass er die Bekanntschaft dieses großen und interessanten Dichters vermied, was er in späteren Jahren außerordentlich bereut hat.«

    Es war also Eifersucht, die Furcht »vor Hörnern«, die Schopenhauer dazu bewog, Goethes Karte nicht abzugeben und folglich Byron nicht zu treffen. Die Verfehlung der beiden Männer in Venedig kam durch ein Ausweichen des Philosophen zustande.


    Die Schopenhauers. Der Familienbriefwechsel von Adele, Arthur, Heinrich Floris und Johanna Schopenhauer. Herausgegeben und eingeleitet von Ludger Lütkehaus. Haffmans, 1991, p. 278.

    Arthur Schopenhauer. Der Briefwechsel mit Goethe und andere Dokumente zur Farbenlehre. Herausgegeben und mit einem Essay von Ludger Lütkehaus. Haffmans, 1992, pp. 43-4.

    Johann Wolfgang Goethe. Wilhelm Meisters Lehrjahre. Ein Roman. Herausgegeben von Hans-Jürgen Schings. Hanser, 1988. Genehmigte Taschenbuchausgabe, btb, 2006, p. 142 [III.1]. Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Herausgegeben von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller und Gerhard Sauder, Bd. 5.

    Benita Eisler. Byron. Der Held im Kostüm. Aus dem Amerikanischen von Maria Mill. Blessing, 1999, pp. 620-1.

    Kuno Fischer. Arthur Schopenhauer. Leben, Werk und Lehre. Herausgegeben und eingeleitet von Maria und Werner Woschnak. Marix, 2010, p. 95.

    Arthur Schopenhauer. Gespräche. Herausgegeben von Arthur Hübscher. Neue, stark erweiterte Ausgabe. Frommann-Holzboog, 1971, p. 220.

    → 1:20 PM, Jan 26
  • Digitale Verfehlung

    In einem Interview mit Jan Drees berichtet Alexander Kluge unter anderem von seinem Versuch eines Erstkontakts mit dem US-amerikanischen Schriftsteller Ben Lerner. So seien Geschichten, die Kluge Lerner per E-Mail zugeschickt habe, in dessen Spam-Ordner gelandet, wo Lerner sie acht Wochen später zufällig gefunden habe. »Und so sind wir zusammengekommen«, so Kluge. Die digitale Technik – man könnte wortspielerisch sagen: ein kluger, lernender Algorithmus – hat demnach den Kontakt der beiden Autoren verzögert; beider Verfehlung geschah im Spam.


    »Die neun Ordnungen von Schnee. Alexander Kluge im Gespräch mit Jan Drees (Teil 1).« Deutschlandfunk, 25. Dez. 2018, 3:38-3:53.

    → 10:30 AM, Dec 26
  • Finale Verfehlungen, Teil 2

    Vor drei Jahren habe ich – inspiriert durch Hans Blumenberg und Henning Ritter – in der Freitag-Community einen Beitrag über zwei finale Verfehlungen Goethes geschrieben, namentlich über dessen Nicht-Treffen mit Winckelmann und Byron. Vor einigen Tagen stieß ich in Ray Monks lesenswerter Wittgenstein-Biographie auf ein weiteres Beispiel einer solchen finalen Verfehlung, gut 80 Jahre nach Goethes Tod und sich in Krakau ereignend, deren Umstände ich ausführlich zitieren möchte: »Die Goplana [ein Wachschiff, das auf der Weichsel patrouillierte] nahm Kurs zurück nach Krakau, tief in österreichischem Gebiet, wo die Armee ihr Winterquartier aufschlagen sollte. Noch vor der Ankunft erreichte Wittgenstein ein Gruß von Georg Trakl, der im Militärhospital von Krakau psychiatrisch behandelt wurde. Wittgenstein war von Ficker bereits über Trakls Zustand informiert worden, als dieser Trakl in Krakau besucht und Wittgenstein schriftlich gebeten hatte, ihn zu besuchen. Trakl fühle sich, schrieb Ficker, extrem einsam und kenne in Krakau keinen Menschen. ›Sie würden mich zu großem Dank verpflichten‹, schrieb Trakl selbst, ›wenn Sie mir die Ehre Ihres Besuches geben würden. ... Möglicherweise werde ich das Spital in den nächsten Tagen verlassen können um wieder ins Feld zurückzukehren. Bevor darüber eine Entscheidung fällt, möchte ich herzlich gerne mit Ihnen sprechen.‹ Da sich Wittgenstein bei seinen Kameraden unwohl fühlte, war er über die Einladung entzückt: ›Wie gerne möchte ich ihn kennen lernen. Hoffentlich treffe ich ihn, wenn ich nach Krakau komme! Vielleicht wäre es mir eine große Stärkung.‹ Als die Goplana am 5. November [1914] schließlich Krakau erreichte, war er ›sehr gespannt, ob ich Trakl treffen werde. Ich hoffe es sehr‹. ›Ich vermisse sehr einen Menschen, mit dem ich mich ein wenig ausreden kann. Es wird auch ohne einen solchen gehen müssen. Aber es würde mich sehr stärken. ... In Krakau. Es ist schon zu spät, Trakl heute noch zu besuchen. – – – Möge der Geist mir Kraft geben.‹ Wittgenstein hatte unwissentlich etwas bitter Ironisches notiert: Als er am nächsten Morgen ins Hospital eilte, war es wirklich zu spät: Trakl hatte sich zwei Tage zuvor, am 3. November, mit einer Überdosis Kokain das Leben genommen.« Im zweiten Heft seiner Geheimen Tagebücher notierte Wittgenstein unter dem Datum des 6. November 1914 fassungslos: »Früh in die Stadt zum Garnisonsspital. Erfuhr dort, daß Trakl vor wenigen Tagen gestorben ist. Dies traf mich sehr stark. Wie traurig, wie traurig!!! Ich schrieb darüber sofort an Ficker. Besorgungen gemacht und dann gegen 6 Uhr aufs Schiff gekommen. Nicht gearbeitet. Der arme Trakl. – – – Dein Wille geschehe. – – –« Trakl, den Wittgenstein erst im Sommer 1914 im Rahmen einer Spende an die von Ludwig von Ficker herausgegebene Kulturzeitschrift Der Brenner großzügig finanziell unterstützt hatte – »Herr L. v. Ficker überwies mir«, so Trakl in seinem erst 1988 in Wien entdeckten Dankesschreiben an Wittgenstein vom 23. Juli 1914, »gestern in Ihrem Namen 20.000 Kronen [was heute etwa 21.000 Euro entspräche]. Erlauben Sie mir, Ihnen für Ihre Hochherzigkeit ergebenst zu danken«–, leitete die finale Verfehlung mit seinem geschätzten Mäzen vermutlich selbst in die Wege. »Alle Straßen münden in schwarze Verwesung«, heißt es in Trakls Gedicht »Grodek«. Vielleicht sah der Dichter einfach keine andere Möglichkeit mehr, den furchtbaren Erlebnissen des Krieges zu entgehen, als sein Herz mit Kokain erkalten zu lassen.


    Nico Schulte-Ebbert. »Finale Verfehlungen. Die Chronologie der Endpunkte und die Chronologie der Verfehlungen: Goethe, Winckelmann, Byron.« der Freitag. Das Meinungsmedium, 12. Aug. 2015, https://www.freitag.de/autoren/nicoschulteebbert/finale-verfehlungen.

    Ray Monk. Wittgenstein. Das Handwerk des Genies. Aus dem Englischen übertragen von Hans Günter Holl und Eberhard Rathgeb. Klett-Cotta, 1992, pp. 137-8.

    Wilhelm Baum. Wittgenstein im Ersten Weltkrieg. Die »Geheimen Tagebücher« und die Erfahrungen an der Front (1914-1918). Kitab, 2014, p. 56.

    Ludwig (von) Ficker – Ludwig Wittgenstein. Briefwechsel 1914-1920, herausgegeben von Annette Steinsiek und Anton Unterkircher, mit einem Nachwort von Allan Janik, Innsbruck UP, 2014, p. 20.

    Georg Trakl. »Grodek [2. Fassung].« Dichtungen und Briefe, herausgegeben von Walther Killy und Hans Szklenar, 3. Aufl., Otto Müller, 1974,  p. 94.

    → 1:00 PM, Aug 1
  • Der geheiligte Tag

    Daß der am gestrigen 16. Juni von Aficionados moderner Literatur weltweit gefeierte 113. Bloomsday beinahe zwei Tage früher stattgefunden hätte, wissen viele Ulysses-Jünger nicht. Im ersten Brief des 22jährigen James Joyce an Nora Barnacle, datiert auf den 15. Juni 1904, heißt es: »I may be blind. I looked for a long time at a head of reddish-brown hair and decided it was not yours. I went home quite dejected. I would like to make an appointment but it might not suit you. I hope you will be kind enough to make one with me – if you have not forgotten me!« Den Hintergrund liefert der Kommentar zum Brief: »Sie [Nora] kam nicht zur vereinbarten Zeit [ebenjenem 14. Juni] und ihr [Noras und James’] erster gemeinsamer Spaziergang fand am folgenden Abend statt, dem 16. Juni.« Richard Ellmann erklärt: »An diesem 16. Juni trat er [Joyce] mit seiner Umwelt in Beziehung und ließ die Einsamkeit, die er seit dem Tod seiner Mutter verspürt hatte, hinter sich zurück. Später sagte er ihr [Nora] dann: ›Du hast mich zum Mann gemacht.‹ Der 16. Juni war der geheiligte Tag, der Stephen Dedalus, den rebellischen Jüngling, von Leopold Bloom, dem nachgiebigen Gatten, trennte.« So liegt den Feierlichkeiten zum Bloomsday – der wohl erste fand am 16. Juni 1929 unter dem Namen Déjeuner Ulysse im Hôtel Léopold in Les Vaux-de-Cernay, einem kleinen Dorf hinter Versailles, statt – eine Initiation zugrunde, die jedoch vom strahlenden, mehrdeutigen, detailreichen Plot des Ulysses gänzlich in den Schatten gestellt wird. Allerdings muß man weder um die biographischen Hintergründe dieses Datums wissen, noch ist die Lektüre des Romans eine Notwendigkeit, denn: »Yes, many people read Ulysses (as Monroe apparently did), but, as our Bloomsday celebrations show, one need not penetrate the mystery in order to recognize, and partake of, its prestige«, so Jonathan Goldman. Es bleibt dennoch zu hoffen, daß der Bloomsday viele Teilnehmer zum Lesen dieses ungeheuren Liebesbeweises motivieren wird.


    Richard Ellmann. James Joyce. Revidierte und ergänzte Ausgabe, Suhrkamp, 1996, p. 248; p. XII. [Faksimile des Briefes]; p. 906.

    James Joyce. Briefe an Nora. Herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Fritz Senn. 3. Aufl., Suhrkamp, 1996, p. 135.

    Jonathan Goldman. »Bloomsday Explained.« The Paris Review, Jun. 13, 2014, https://www.theparisreview.org/blog/2014/06/13/bloomsday-explained/.

    → 5:12 PM, Jun 17
  • Zulächeln

    Ich stoße in Manfred Geiers Parallelbiographie auf einen Ausspruch Wittgensteins, der mit seiner poetischen Prägnanz auch in unserem Zeitalter der ›Fernliebe‹ hätte geäußert werden können: »Was ich gern hätte, wäre jemand, dem ich gelegentlich zulächeln könnte.« Während ich Bilder betrachte, in Erinnerungen schwelge oder schreibe, ertappe ich mich dabei, dem abwesenden Anderen zuzulächeln; doch es ist nicht dasselbe. Es ist ein Zulächeln, das verpufft, das sein Ziel verfehlt und im Einsamen verhallt. Dieses Zulächeln ist nur an mich gerichtet, es ist allein meine Reaktion, die ich allein mit mir teile, doch möchte ich nicht ausschließen, daß es den Fernen auch irgendwie trifft wie die Berührung eines vergessenen Traumes. Gelegentliches Zulächeln bedeutet: Ich bin noch da, es gibt mich noch, ich bin das Lächeln auf dem Weg zu dir.


    Manfred Geier. Wittgenstein und Heidegger. Die letzten Philosophen. Rowohlt, 2017, p. 341.

    Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim. Fernliebe. Lebensformen im globalen Zeitalter. Suhrkamp, 2011.

    → 8:45 AM, Feb 27
  • Malerfürsten

    In der heutigen Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung berichtet Andreas Kilb auf Seite 22 von der großen Dürer-Ausstellung in Nürnberg. Im Text wird Dürer mehrmals als »(deutscher oder neuer) Apelles« bezeichnet. Mir kam der Name merkwürdig bekannt vor. Kilb schreibt zwar, daß Apelles ein »antike[r] Malerfürst[]« gewesen sei, doch so recht konnte ich ihn nicht zuordnen. Dann fiel es mir ein: In seiner Vignette »Auf Rhodos«, die im Abschnitt »Verfehlungen« in seinem Buch Die Sorge geht über den Fluß zu finden ist, schreibt Hans Blumenberg folgendes:

    Apelles besucht Protogenes, seinen ihm an Berühmtheit dichtauf sitzenden Konkurrenten in der Malerei. In dessen Haus auf Rhodos trifft er ihn nicht an. Was da, im letzten Drittel des vierten vorchristlichen Jahrhunderts, geschah, berichtet Plinius im ersten nachchristlichen.
    Apelles zog, um einen Beweis seines Dagewesenseins zu hinterlassen, über die auf der Staffelei stehende Maltafel eine farbige Linie von höchster Feinheit (summae tenuitatis). Daran erkannte Protogenes bei seiner Heimkehr sogleich die Hand, die allein eines solchen Meisterstücks (tam absolutum opus) fähig wäre. Doch zog er nun selbst mit einer anderen Farbe in jene Linie hinein eine noch feinere (tenuiorem lineam) und entfernte sich wieder. Als Apelles seinen Besuch erneuerte, den Rivalen wiederum verfehlte, sah er beschämt, was auf der Maltafel geschehen war, und durchzog mit nochmals anderer Farbe beide Linien, so daß für weitere Verfeinerung kein Platz mehr blieb – im Doppelsinne: nullum relinquens amplius subtilitati locum.
    Protogenes fand sich bei der Rückkehr endgültig besiegt, holte den enteilten Apelles noch am Hafen ein, und bei nun besiegelter Freundschaft beschloß man, das Werk beider Hände unverändert der Nachwelt zu überliefern. Es wurde von allen bewundert, zumal von den Zunftgenossen, und fand schließlich den seines Ruhmes allein würdigen Besitzer: in Cäsars Haus auf dem Palatin. Als dieses zur Zeit des Augustus einem Brand zum Opfer fiel, folgte das Rätselwerk dem, der seine Größe erkannt hatte, nach. […]

    Hans Blumenberg. »Auf Rhodos.« Die Sorge geht über den Fluß. Suhrkamp, 1987, pp. 171-2, hier p. 171.

    [Ursprünglich gepostet auf Google+]

    → 8:00 AM, May 27
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