In der bekannten und populären Rubrik »By the Book« der New York Times stand kürzlich das inzwischen achtzigjährige Ex-Monty-Python-Mitglied John »silly walk« Cleese Rede und Antwort. Auf die Frage, wie er seine Bücher ordnen würde, antwortete Cleese: »Gar nicht. Ich habe Bücher, die über den ganzen Planeten verstreut sind, wie meine Ex-Frauen. Wenn ich sterbe,…Mehr
Alex und Amina
Rüdiger Zill zitiert in seiner großen Blumenberg-Biographie aus einem Brief vom 20. August 1948, den der damals achtundzwanzigjährige ›absolute Leser‹ an seinen Doktorvater Ludwig Landgrebe richtete, dessen Assistent in Kiel er werden sollte: Blumenberg schreibt, er sei »voll ausgenutzt, da ich nun neben der philosophischen Arbeit auch noch Kurzgeschichten, Glossen und ähnliches zu produzieren habe,…Mehr
Lektoratsbrevier
Erst kürzlich erwarb ich die von Suhrkamps Cheflektor Raimund Fellinger 2018 zusammengestellten Polyloquien Peter Sloterdijks, ein bündiges Best-of von Texten des »merkwürdige[n] Bastard[s]« aus Karlsruhe. Das Besondere an diesem Brevier ist weder die Themenvielfalt noch die Neologismendichte; atemberaubend ist das Versagen des Lektorats! Vor allem die unter dem Titel »Literaturhistoriker« abgedruckte Passage versammelt auf gerade…Mehr
Impressionen aus Frohnhausen
Huysmans revisité
Als ich heute Morgen im Deutschlandfunk ein Gespräch Gisa Funcks mit Hartmut Sommer hörte, der Joris-Karl Huysmans’ 1906 erschienenes, letztes Werk Lourdes. Mystik und Massen erstmals ins Deutsche übertragen hat, erinnerte ich mich, daß ich im Frühjahr 2004 für einen Blog, den ich von 2003 bis 2008 mit zwei Freunden betrieb, eine kleine Anzeige zu…Mehr
Der Unlöwe von Münster
Hans Blumenberg zum 100. Geburtstag Als der dreizehnjährige Hans Blumenberg, Schüler des Lübecker Elite-Gymnasiums Katharineum, am 28. Oktober 1933 in Begleitung seines Vaters erstmals Münster besuchte, und zwar anläßlich der Bischofsweihe Clemens August Graf von Galens, konnte er nicht wissen, daß auch er einst in der Stadt des Westfälischen Friedens eine löwenhafte Existenz führen würde.…Mehr
Idiolekt
»Man könnte«, erklärt Felix Heidenreich in seinem empfehlenswerten, Anfang Mai erschienenen Großessay Politische Metaphorologie, »an einzelnen Abschnitten seiner [Hans Blumenbergs] Texte zeigen, wie er mit literarischer Finesse einen Spannungsbogen aufbaut und am Ende eines Absatzes wie mit einer Coda schließt: Lange, bisweilen verschnörkelte Hypotaxen enden nicht selten mit einem sentenzenhaften Fazit.« (65) Heidenreich selbst neigt…Mehr
Nachdenklichkeit und Corona-Krise
Ab heute treten Lockerungen der im Zuge der Corona-Pandemie verhängten Beschränkungen bei Schul-, Gottesdienst- und Geschäftsbesuchen in Kraft. So dürfen nicht nur Spielplätze, Museen oder Zoos wieder öffnen, auch der Gang zu Friseursalons, von denen es in Deutschland gut 80.000 gibt, ist nach sechs Wochen wieder erlaubt – selbstredend unter strengen Hygienevorschriften. Konnte man bis…Mehr
Aufgeschobenes Ende
Der Zeitpunkt ist nah, wo du alles vergessen hast, und nahe der Zeitpunkt, wo alle dich vergessen haben. Marc Aurel. Selbstbetrachtungen VII,21 In den letzten Jahren hat sich eine gewisse Privattradition etabliert: An jedem Karfreitag nehme ich mir gut zweieinhalb Stunden Zeit, um mir Johann Sebastian Bachs am 11. April 1727 in der Leipziger Thomaskirche…Mehr
Warnhinweise
Bereits im Frühjahr 2014 berichtete die New York Times, daß Studenten an US-Hochschulen sogenannte »trigger warnings« forderten, die auf Materialen appliziert werden sollten – etwa Bücher, Filme, Kunstwerke –, die »might upset them [the students] or, as some students assert, cause symptoms of post-traumatic stress disorder in victims of rape or in war veterans.« Zu…Mehr
Schwarze Maoisten
In der aktuellen Ausgabe der New York Review of Books stoße ich in einer Besprechung zweier Neuerscheinungen über Mao Zedong auf die folgende Passage, die ich unkommentiert und unübersetzt stehen lasse, stehen lassen muß: »When asked why he kept a poster of Mao on his apartment wall, Eldridge Cleaver, another Black Panther leader, was more…Mehr
Erinnerungsarbeit am Mythos
Zum 100. Geburtstag des Philosophen Hans Blumenberg legt Uwe Wolff eine ganz persönliche Hommage an seinen Lehrer vor Schließlich geht nicht alles, was einer vom anderen weiß, in die diesem zukommenden Äußerungen ein; vielleicht nur ein geringer Bruchteil.— Hans Blumenberg Wir halten es nur aus, Geschichte zu haben und auf ihr zu insistieren, weil wir…Mehr
Europatour
Als ich in der Silvesternacht 2019/2020 die Zones-App öffnete, um einen Blick auf die Jahresübersicht meiner absolvierten Trainings zu werfen, starrte ich ungläubig auf die Summe der 2019 verzeichneten Kilometer. 3.282 Kilometer soll ich per pedes zurückgelegt haben? Diese Zahl erschien mir immens, die Strecke in freier Wildbahn noch immenser! Ich öffnete die Karten-App, um…Mehr
2019 – Mein Bücherjahr
Am letzten Tag des Jahres werfe ich – wie schon 2012, 2017 und 2018 – einen chronologisch ausgerichteten Blick zurück auf die abwechslungs- und lehrreichen Bücher, die ich in den vergangenen zwölf Monaten lesen und – im privaten Kreise – mitherausgeben konnte: Benita Eisler. Byron. Der Held im Kostüm. Aus dem Amerikanischen von Maria Mill. Blessing, 1999. Bernd…Mehr
Von anderen Möpsen
Inge Jens zitiert in ihrer 2013 bei Rowohlt erschienenen Studie Am Schreibtisch. Thomas Mann und seine Welt Ludwig Marcuse, der in seiner Aufzählung der deutschen und österreichischen Exilanten im französischen Sanary-sur-Mer auch die »Sternheim-Tochter Mops« erwähnt. – Mops? Eine schnelle Internet-Recherche förderte zutage, daß Dorothea Sternheim, die 1905 geborene leibliche Tochter Carl und Thea Sternheims,…Mehr
Koryphäenhaftes
Beim Sortieren alter Unterlagen flog mir der folgende Flyer in die Hände: Erstaunt mußte ich feststellen, daß Bernard Comrie seinen Vortrag in Münster heute vor 15 Jahren gehalten hatte. Tempus fugit! Ich kann mich nur noch schemenhaft daran erinnern. So sind mir Bruchstücke von Clemens-Peter Herbermanns einleitenden (und wie immer mit Augenzwinkern versehenen) Worten im…Mehr
Ganz nah
Ganz nah wollte ich am gestrigen Dienstag nicht nur dem am 3. Januar 1887 im sauerländischen Meschede geborenen Künstler August Macke kommen; auch den vor drei Monaten eröffneten, 13,5 Millionen Euro teuren Neubau des Arnsberger Sauerland-Museums wollte ich inspizieren. Da das Photographieren in der vorzüglichen und breitgefächerten Sonderausstellung untersagt war – mit Ausnahme eines Raumes,…Mehr
Populismus
In ihrer Ausgabe vom 1. Dezember 2019 macht die New York Times auf ein bemerkenswertes, fast schon romantisch zu nennendes Langzeitprojekt aufmerksam, das im wahrsten Sinne des Wortes aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Seit den 1890er-Jahren arbeiten rund 400 Wissenschaftler am sogenannten THESAVRVS LINGVAE LATINAE, einem monumentalen, einsprachigen Wörterbuch der lateinischen Sprache, das…Mehr
Viralitäten
In einer kenntnisreichen, ausgewogenen und äußerst lesenswerten Rezension des 1948 geborenen amerikanischen Wissenschaftsjournalisten David Quammen findet sich die folgende kritische Passage: »Ein Leser kann Winegard all die schwungvollen Anspielungen auf die Popkultur, die schlechten Wortspiele, die unnötigen Fußnoten, die überhitzten zusammengesetzten Adjektive (›mosquito-haunted shadows‹ des Römischen Reiches; ›mosquito-doomed‹ Kolonisten in Darien) und die Tendenz zu…Mehr
Unverhoffte Nicht-Treffen
Als Ergänzung und Konkretisierung seiner Erinnerungen, die Michael Krüger im Film Hans Blumenberg. Der unsichtbare Philosoph mitgeteilt hatte, kann sein Beitrag in der Winterausgabe 2019 der Zeitschrift für Ideengeschichte gelesen werden. In diesem mit »Unverhoffte Begegnung« betitelten Heft berichtet Krüger humoristisch von den nächtlichen Telefonaten, die er mit Blumenberg geführt hat, sowie von dem Versuch…Mehr
Wie der Vater
Während der Frankfurter Buchmesse 2019 wurde Tobias Blumenberg, seines Zeichens Zahnarzt im baden-württembergischen Örtchen Weingarten und Sohn Hans Blumenbergs, zu seinem Buch Der Lesebegleiter. Eine Entdeckungsreise durch die Welt der Bücher (Kiepenheuer & Witsch) befragt. Gleich zu Beginn des Gespräches sagte Blumenberg: »Und über das viele Lesen bin ich dann darauf gekommen, daß ich meine…Mehr
Verfehlungen freier Geister
In Peter Neumanns salopp verfaßtem Panorama Jena 1800 springt mir die folgende Passage ins Auge, die als Ergänzung zu meinen hier, hier, hier, hier und hier bereits angeführten Verfehlungen mit einer ausführlicheren biographischen Untersuchung in Betracht gezogen werden sollte: »Voriges Jahr, auf der Herbstmesse 1797 in Leipzig, haben sie [Fichte und Schelling] sich zum ersten…Mehr
Nacktheit
»Nacktheit ist weniger der endgültige Status der Wahrheit als der vorläufige des Menschen.« (Hans Blumenberg) Neulich in der Buchhandlung Poertgen-Herder in Münster:»Ich suche die nackte Wahrheit.«»Tun wir das nicht alle?«Mehr
Arthur zu Arthur, Staub zu Staub
Ein ungewöhnlich oberflächlicher, am heutigen Montag in der New York Times erschienener Artikel über die Beziehung Arthur Rimbauds zu dessen Heimatstadt, dem heutigen Charleville-Mézières, kann immerhin mit einer schlüpfrig-makaberen Anekdote aufwarten: Bernard Colin, der Friedhofsverwalter des heute etwa 47.000 Einwohner zählenden Hauptortes des französischen Départements Ardennes, berichtet, daß er hin und wieder Paare an Rimbauds…Mehr
Raritäten
Als ich, fasziniert von Historie und Materialreichtum, durch den wunderbar bebilderten Band The Card Catalog der Library of Congress blätterte, fiel mir auf einer der dort abgedruckten Karteikarten auf, daß die Erstausgabe von James Joyces Ulysses (Paris, 1922) auf 1000 Exemplare limitiert gewesen sei und daß hundert davon signiert seien. Ein Text fügt ergänzend unter…Mehr