An John Keats’ 200. Todestag
Four seasons fill the measure of the year; There are four seasons in the mind of man. He has his lusty Spring, when fancy clear Takes in all beauty with an easy span. He has his Summer, when luxuriously Spring’s honeyed cud of youthful thought he loves To ruminate, and by such dreaming nigh His nearest unto heaven. Quiet coves His soul has in its Autumn, when his wings He furleth close; contented so to look On mists in idleness - to let fair things Pass by unheeded as a threshold brook.
In einem kritischen Beitrag für den Guardian weist Elton John auf die Auswirkungen des Brexits auf Künstler des Vereinigten Königreichs hin, denen bei Auftritten in der EU fortan eine bürokratische und finanzielle tour de force bevorstehe. Prägende Erfahrungen, wie sie Elton John in den sechziger Jahren auf dem Kontinent gemacht habe, blieben nicht-privilegierten britischen Musikern höchstwahrscheinlich verwehrt:
Wäre ich der Keyboarder einer jungen Band oder ein Solokünstler, der gerade erst anfängt, würde ich wohl kaum die Chance bekommen, nach Hamburg zu fahren oder mich in Paris mit Hotdogs bewerfen zu lassen.
[1] Ben Beaumont-Thomas. »Eugene Wright, bassist with classic Dave Brubeck Quartet, dies aged 97.« The Guardian, 1 Jan 2021, https://www.theguardian.com/music/2021/jan/01/eugene-wright-bassist-classic-dave-brubeck-quartet-dies-aged-97.
[2] Angela Giuffrida. »Italy begins year of Dante anniversary events with virtual Uffizi exhibition.« The Guardian, 1 Jan 2021, https://www.theguardian.com/world/2021/jan/01/italy-year-long-celebration-dante-700-anniversary-drawings.
[3] Jürgen Kaube. »Halbgötterdämmerung.« Rezension zu Studien zu Hölderlin, von Werner Hamacher. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.01.2021, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/werner-hamacher-ueber-hoelderlin-17093847.html.
[4] Neelesh Misra. »Do Children Really Need to Learn to Code?« The New York Times, Jan.
Zufällig stoße ich bei YouTube auf den Teil eines Interviews mit dem Sozialphilosophen Max Horkheimer (1895-1973), in welchem dieser die folgenden demagogischen Charakteristika aufzählt:
erheblicher Superlativ-Gebrauch; Einteilung in »die Guten« (das Wir) und »die Schlechten« (die Anderen); Fokussierung auf ein absolutes Ziel, das absolut gut ist; völliger Ausschluß des Zweifels; Verbrüderung mit Zuhörern (»Ich bin einer von Euch«); Überzeugung, daß gegen »uns« eine Verschwörung im Gange sei; Wiederholung dieser ›Tricks‹.
Vom Frieden, vom Ende des Krieges – davon träumen Schützen, zumindest erträumt sich dies der namenlose Fallschirmspringer in Pink Floyds 1983 veröffentlichtem Song »The Gunner’s Dream«, den Roger Waters nun als vierte »Quarantäne-Version« eines Pink-Floyd-Songs vorlegt. Die lose, noch überschaubare Serie der Lockdown Sessions begann am 17. Mai 2020 mit dem Song »Mother«, der 1979 auf The Wall erschienen ist. Waters’ kommentierte diese Version mit den Worten: »Soziale Distanzierung ist ein notwendiges Übel in der Covid-Welt.
Wie schon in der vergangenen Silvesternacht blickte ich auch in dieser auf die Zahlen der Zones-App, die im Vergleich zu denen des Vorjahres erneut gestiegen waren.
4.253 Kilometer habe ich per pedes im (ersten) Corona-Jahr zurückgelegt (das sind gut 11,6 Kilometer pro Tag), und damit 971 Kilometer mehr als noch 2019! Wieder öffnete ich die Karten-App, um diese abstrakte Zahl anhand einer konkreten Route zu veranschaulichen. Erneut wählte ich die Hauptstadt Portugals als Startpunkt meiner fiktiven Europatour aus.
Am letzten Tag des Jahres werfe ich – wie schon 2012, 2017, 2018 und 2019 – einen chronologisch ausgerichteten Blick zurück auf die abwechslungs- und lehrreichen Bücher, die ich in den vergangenen zwölf Monaten lesen konnte. In diesem Jahr jedoch soll meine Leseliste eine extended version darstellen, sprich: nicht nur sind Monographien aufgeführt (die zur leichteren Orientierung im bibliographischen Dschungel fett markiert worden sind), sondern auch (Zeitungs-)Artikel, Aufsätze, Essays und Rezensionen.
Ich stoße in Alfred Brendels FAZ-Gastbeitrag über Goethe und die Musik auf den Namen der Sopranistin Corona Schröter (1751-1802), die neben anderen Sängerinnen auf Goethe eine ›unübertreffliche Wirkung‹ ausgeübt haben soll. Daß ihr Name dem heutigen Leser ins Auge springt, liegt in der simplen Tatsache begründet, daß eine Pandemie gleichen Namens ungleich größere Auswirkungen verursacht hat.
»So häuft sie willig jeden Reiz auf sich,
Und selbst dein Name ziert, Corona, dich.
Opiniater / Facharzt für Erkrankungen des Meinungsapparats Fachmann für nicht-periodische Kachelsysteme Skorpionmelker Anomalist Brainfood-Berater Licht-Konservator Komponist für Veterinärmusik Empathieplünderer Oligarchenseelsorger Schrumpfungskommissionsberater Kryptozoologe: Experte für nie festgestellte Tiere Lawn doctor an Bord eines Kreuzfahrtschiffs Implantationssoziologe Gratis-Dienste-Berater (hilft Ihnen, alles zu bekommen, ohne je in die eigene Tasche zu greifen) Erdbeweger (steirisch) Paläo-Ozeanograph / Jeder Beruf ist ein nicht geschriebener Roman in der comédie humaine unserer Tage. Man muß mehr denn je Romane nicht schreiben Gasfeuerzeug-Adapter-Designer (es gibt ca.
Das Rolling Stone Magazine wiederveröffentlicht anläßlich John Lennons vierzigstem Todestag einen Nachruf aus seiner Ausgabe vom 22. Januar 1981, geschrieben vom damals fünfunddreißigjährigen Journalisten und Schriftsteller Scott Spencer. Darin findet sich – neben vielen Plattitüden – der elementar philosophische Gedanke des Sterbenlernens, der in Zeiten einer Pandemie ins Bewußtsein der Menschen zurückzukehren im Begriff ist: »Weil er uns erlaubte, ihn zu kennen und zu lieben, gab John Lennon uns die Chance, an seinem Tod teilzuhaben und die Vorbereitungen für unseren eigenen wiederaufzunehmen.
Finde in Sloterdijks Notizen unter dem Datum des 29. September 2011 die triviale, aber erstaunliche Feststellung: »Casanova soll gesagt haben, auch die schönste Frau ist an den Füßen zu Ende.« Diese Äußerung ist in ihrer Resignation zugleich tröstlich als auch lächerlich. Tröstlich, weil einem die engen Grenzen der physischen Attraktivität leger vor Augen geführt werden; lächerlich, weil Casanova die weiten Dimensionen der psychischen Schönheit nicht wahrnehmen konnte oder wollte; die Kartographierung der terra incognita fand nicht statt.
Die New York Times berichtet, daß die Nachfrage der amerikanischen Leser nach Barack Obamas erstem Teil seiner Memoiren, A Promised Land, so hoch sei, daß Penguin Random House, die Muttergesellschaft von Crown, in Deutschland 1,5 Millionen Exemplare gedruckt habe, die auf Frachtschiffen in die USA transportiert würden. Dies brachte Stephen Colbert zu folgender Einschätzung: »Aber ich bin mir sicher, die Kunden werden den Unterschied zwischen der amerikanischen und der deutschen Version nicht bemerken.
Ingeborg Villinger beleuchtet erstmals das Leben von »Gretha Jünger« Im 14. Kapitel seiner 1939 erschienenen Parabel Auf den Marmorklippen beschreibt Ernst Jünger (1895–1998): »Es hieß, daß Pater Lampros einem altburgundischen Geschlecht entstamme, doch sprach er niemals über die Vergangenheit. Aus seiner Weltzeit hatte er einen Siegelring zurückbehalten, in dessen roten Karneol ein Greifenflügel eingegraben war, darunter die Worte ›meyn geduld hat ursach‹ als Wappenspruch. Auch darin verrieten sich die beiden Pole seines Wesens – Bescheidenheit und Stolz.
Der in Harvard lehrende Moralphilosoph Michael Sandel erinnert in einem Interview anläßlich der Publikation seines neuen Buches Vom Ende des Gemeinwohls an etwas Triviales, dessen man sich in unserer heutigen Leistungs- und Wertegesellschaft jedoch unbedingt bewußt sein sollte (ich zitiere den Dolmetscher):
Nehmen wir etwa einen sehr erfolgreichen Sportler wie Cristiano Ronaldo, der Dutzende Millionen an Gehalt einstreicht, ein bedeutender Fußballspieler. Aber ist das wirklich sein eigenes Verdienst, die Talente, die er hat, daß er so gut Fußball spielt?
Am heutigen 30. Oktober erscheint das inzwischen 31. Studioalbum des sechsundsechzigjährigen britischen Musikers Declan Patrick MacManus, besser bekannt als Elvis Costello. Es trägt den Titel Hey Clockface, und in dessen Titelsong »Hey Clockface / How Can You Face Me?« unternimmt Costello inhaltlich wie musikalisch eine Zeitreise:
Hey Clockface
Now I don’t feel a thing
You stole away the heart in me
And then removed my spring
The winding mechanisms shot
Zwei Tage nach dem 39. Jahrestag der Veröffentlichung des Queen-/David-Bowie-Klassikers »Under Pressure« reihen sich Karen O und Willie Nelson in die illustre Cover-Riege dieses Klassikers ein. Ihre ruhige, zurücknehmende und doch kraftvoll-intime Interpretation wirkt wie ein willkommenes Antidot in rauschhaft-rauhen Zeiten, in denen der Druck immer größer zu werden und von immer mehr Seiten zu kommen scheint.
[www.youtube.com/watch](https://www.youtube.com/watch?v=MEU-7uga_4A)
Von Johanna Gummlich, Leiterin des Rheinischen Bildarchivs der Stadt Köln, lerne ich ein neues Wort. Im Podcast »Deutsche Digitale Bibliothek stößt an Grenzen« des Deutschlandfunks erklärt sie: »Ich öffne die Deutsche Digitale Bibliothek und suche mir über den Suchschlitz die Digitalisate, die von unserem Haus, von dem Rheinischen Bildarchiv, in der Deutschen Digitalen Bibliothek vorhanden sind.«
Bildschirmphoto des ›Suchschlitzes‹ der Deutschen Digitalen Bibliothek Daß die Suchleiste oder das Suchfeld einer Website als »Suchschlitz« bezeichnet wird, war mir neu.
Titelblatt der Blumenberg-Biographie, Suhrkamp, 2020 Der »Exorzist des Druckfehlerteufels« (Hans Blumenberg, 26. Februar 1996) stand für das Titelblatt nicht (mehr) zur Verfügung.
Hans Blumenberg und Uwe Wolff. »›Und das ist mir von der Liebe zur Kirche geblieben.‹ Hans Blumenbergs letzter Brief. Mit einem Nachwort von Uwe Wolf.« Internationale katholische Zeitschrift »Communio«, 43. Jahrgang, Heft 3, 2014, pp. 173-81, hier p. 177.
Es erscheint nur folgerichtig und symbolisch, daß Sean Lennon, der am heutigen 9. Oktober 45 Jahre alt wird, seinem Vater John, dessen 80. Geburtstag ebenfalls heute zu feiern wäre, nicht nur an selbigen, sondern auch an die ›inselartigen‹ Lebenssituationen der Menschen in der COVID-19-Pandemie erinnert, und zwar mit dem 1970 auf dem Album John Lennon/Plastic Ono Band veröffentlichten Song »Isolation«. Daß der Sohn dabei nicht nur so aussieht wie der Vater, sondern auch so klingt, ist ein berückender Nebeneffekt.
Das vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika beliebte Wörterbuch Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary verzeichnet für den 2. Oktober einen Anstieg der Zugriffe auf das Lemma »schadenfreude« um 30.500 Prozent! Den Grund dafür sieht das Wörterbuch im positiven COVID-19-Test von US-Präsident Donald Trump und seiner Frau Melania.
»Trending: ›schadenfreude‹.« Merriam-Webster, October 2, 2020, https://www.merriam-webster.com/news-trend-watch/schadenfreude-20201002.
Am heutigen 1. Oktober jährt sich der Beginn meines Hochschulstudiums zum zwanzigsten Mal: Zum Wintersemester 2000/2001 – Gerhard Schröder war seit zwei Jahren Bundeskanzler, die Terroranschläge des 11. September hatten noch nicht stattgefunden und auf das erste iPhone mußte man noch sieben Jahre warten – startete ich an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit dem Diplomstudiengang Geologie/Paläontologie, bevor ich im Sommersemester 2002 vom Coesfelder Kreuz an den Domplatz, von den Natur- in die Geisteswissenschaften wechselte, hin zur Deutschen Philologie, Allgemeinen Sprachwissenschaft sowie zur Neueren und Neuesten Geschichte auf Magister.
Zu seinem 100. Geburtstag im Jahre 2000 sprach Bernd H. Stappert mit dem Philosophen und Jubilar Hans-Georg Gadamer. Auf die Frage: »Hat Ihr Vater denn noch miterlebt, wie Sie, an sich doch sehr früh, als Zweiundzwanzigjähriger, schon promovierten?«, antwortete Gadamer:
»Ja, natürlich, er ist mit, kurz vor meiner Habilitation ist er gestorben. Aber wissen Sie, eine solche Habilitation [Promotion, NSE] mit zweiundzwanzig Jahren ist eine Kinderei, eigentlich doch die Schuld der Lehrer, denn daß das nichts taugt, ist doch klar, was man da macht und was man da kann.
In der bekannten und populären Rubrik »By the Book« der New York Times stand kürzlich das inzwischen achtzigjährige Ex-Monty-Python-Mitglied John »silly walk« Cleese Rede und Antwort. Auf die Frage, wie er seine Bücher ordnen würde, antwortete Cleese: »Gar nicht. Ich habe Bücher, die über den ganzen Planeten verstreut sind, wie meine Ex-Frauen. Wenn ich sterbe, lasse ich alle ungelesenen mit mir begraben. Mein Grab wird ›Mount Cleese‹ heißen.«
Der globalisierte Leser ist zugleich ein globalisierter Liebhaber, der das Ungelesene mit ins Jenseits nimmt.
Rüdiger Zill zitiert in seiner großen Blumenberg-Biographie aus einem Brief vom 20. August 1948, den der damals achtundzwanzigjährige ›absolute Leser‹ an seinen Doktorvater Ludwig Landgrebe richtete, dessen Assistent in Kiel er werden sollte: Blumenberg schreibt, er sei »voll ausgenutzt, da ich nun neben der philosophischen Arbeit auch noch Kurzgeschichten, Glossen und ähnliches zu produzieren habe, wobei mir unser Hund seinen Namen als Pseudonym herleihen mußte.« Da es sich bei diesem Hund um einen Collie handelte, der auf den Namen Axel hörte, publizierte Blumenberg seine Artikel unter dem Nom de Plume Axel Colly.
Erst kürzlich erwarb ich die von Suhrkamps Cheflektor Raimund Fellinger 2018 zusammengestellten Polyloquien Peter Sloterdijks, ein bündiges Best-of von Texten des »merkwürdige[n] Bastard[s]« aus Karlsruhe. Das Besondere an diesem Brevier ist weder die Themenvielfalt noch die Neologismendichte; atemberaubend ist das Versagen des Lektorats!
Vor allem die unter dem Titel »Literaturhistoriker« abgedruckte Passage versammelt auf gerade einmal elf Seiten acht Fehler, darunter so Kurioses wie »beargwôhnten«, »irnpliziert«, »Srufe« oder »urid«. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als wäre dieses Konvolut in aller Schnelle zusammegestoppelt und fahrlässig eingescannt worden.