Publish and publish and publish ad infinitum

Zum Jahresbeginn hörte ich zwei Episoden des sehr zu empfehlenden Podcasts Freakonomics Radio über die Betrugskultur innerhalb der akademischen (Parallel-)Welt. Diese Doppelfolge wurde ursprünglich Anfang 2024 veröffentlicht und ist jetzt aktualisiert worden.

Teil 1 (Episode 572): »Warum gibt es so viele Betrügereien im akademischen Bereich? (Update)«

Teil 2 (Episode 573): »Kann akademischer Betrug gestoppt werden? (Update)«

Neben der erstaunlichen Anzahl von 10.000 Forschungsarbeiten, die allein im Jahr 2023 zurückgezogen worden sind, sei nur auf das gigantische Finanzimperium hingewiesen, das aus der wissenschaftlichen Publikationstradition metastasiert ist:

Die wichtigsten Länder für diese äußerst produktiven Autoren waren China, die USA, Saudi-Arabien, Italien und Deutschland. Wenn so viele Forschungsarbeiten veröffentlicht werden, muß man auch davon ausgehen, daß der größte Teil davon nur von einer Handvoll Menschen gelesen wird. Wie der Wirtschaftsblogger Noah Smith kürzlich feststellte, ist zu viel akademische Forschung einfach nutzlos, zumindest für andere als den Autor. Aber man sollte nicht erwarten, daß sich daran etwas ändert. Das weltweite wissenschaftliche Verlagswesen ist ein 28-Milliarden-Dollar-Markt.

Podcast-Host Stephen J. Dubner erinnert zudem an die individuellen Statusängste, die wesentlicher Motor dieser Betrugsexzesse sind:

Ich denke, wir sollten hier ein paar Dinge über die Wissenschaft sagen. Die besten Akademiker werden von einem echten wissenschaftlichen Impuls angetrieben. Sie mögen viel wissen, aber sie haben keine Angst zuzugeben, wieviel wir noch nicht wissen. Sie werden also von einem Forschungsdrang angetrieben und nicht unbedingt von dem Drang, ein Ergebnis zu erzielen, das ihren eigenen Status erhöht. Aber die Wissenschaft ist auch ein außerordentlich statusbewußter Ort. Damit will ich nicht sagen, daß daran etwas falsch ist. Wenn der Status die Belohnung ist, die eine bestimmte Art von klugen, disziplinierten Menschen dazu ermutigt, Forschung um der Forschung willen zu betreiben, anstatt ihre Talente in der Industrie einzusetzen, wo sie vielleicht viel mehr verdienen, dann ist das phantastisch. Aber wenn das Streben nach Status um des Status willen einen akademischen Forscher dazu bringt, zu betrügen, nun ja, dann ist das schlecht.

Die bibliometrische Diktatur frißt ihre eigenen Kinder. Man muß schreiben; Untergehen ist keine Option mehr. Bereits 1972 konstatierte Hannah Arendt:

Das ›Publish or perish‹-Geschäft ist eine Katastrophe. Die Leute schreiben Dinge, die niemals hätten geschrieben werden dürfen und die niemals gedruckt werden sollten. Niemand ist daran interessiert. Aber damit sie ihren Job behalten und eine angemessene Beförderung erhalten, müssen sie es tun. Das erniedrigt das gesamte intellektuelle Leben.


Wolf Singers Intelligenzen

Im Rahmen der öffentlichen Ringvorlesung des Zentrums für Wissenschaftstheorie der WWU Münster zum Thema Menschenbilder in der Wissenschaft sprach am 11. Mai 2023 von 18 bis 20 Uhr Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolf Singer vom Frankfurter Max-Planck-Institut für Hirnforschung über »Menschenbilder aus den Perspektiven der Selbstwahrnehmung und neurobiologischer Fremdbeschreibung: Der Versuch eines Brückenschlags« im Hörsaal F4 des Münsteraner Fürstenberghauses.

Hörsaal F4 im Fürstenberghaus und Blick auf Dom, St. Lamberti und LWL-Museum (Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Mai 2023)

Singer befaßte sich mit den folgenden, eminent wichtigen, fundamentalen Fragen: Verändern künstlich-intelligente Systeme unser Menschenbild? Worin ähneln sich künstlich- und natürlich-intelligente Systeme? Müssen wir vor dem Hintergrund der neuesten technologischen Entwicklungen unsere Konzepte der Willensfreiheit und des Bewußtseins revidieren?

Stefan Roski, Geschäftsführer des ZfW, und Wolf Singer (Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Mai 2023)

KI vs. Stubenfliege

Die Evolution hat offenbar das Problem gelöst, bei Zimmertemperatur mit minimalem Energieverbrauch und mit nicht gerade optimalen Elementen wie Neuronen das zu erreichen, was Supercomputer, die man auf Tiefsttemperaturen kühlen muß, gerne machen würden. Wieviel Energie so ein Supercomputer benötigt, um einigermaßen intelligente Antworten geben zu können! Allein der Strom, der benötigt wird, um ChatGPT-3 zu trainieren, kostet einige hundert Millionen Dollar! Dagegen wirkt das autonome Leben einer Stubenfliege geradezu utopisch, ja übernatürlich: was eine unscheinbare Musca domestica alles leisten muß, um in einer komplexen Welt zu überleben, grenzt an ein neurobiologisches Wunder.

Dieser Vergleich zeigt, daß hier völlig konträre Prinzipien vorliegen müssen: Es gibt gewaltige strukturelle Differenzen zwischen künstlichen und natürlichen Systemen. (Singer verriet in der abschließenden Diskussion, daß es geheime Projekte von Google, Microsoft oder IBM gebe, die sich mit analogen Computern beschäftigten.) Während künstliche Systeme linear arbeiten, serielle Verbindungen (keine Querverbindungen) und strikte Hierarchien (keine Rückkopplungen) besitzen (sie sind dumm, weil sie nur das können, was ihnen durch iterative Lernvorgänge beigebracht worden ist), zeichnen sich natürliche Systeme durch die Parallelität von Funktionen, massive reziproke Verbindungen, eine Fülle von Rückkopplungsverbindungen zwischen höheren und niedrigen Verarbeitungsstufen sowie enge Vernetzung von Verarbeitungsmodulen (small world network) aus.

Computer operieren mit digitalen Variablen (0, 1) und ohne interne Dynamik: es gibt keine zeitliche Relation (Zeit spielt keine Rolle). Die Schalterelemente des Gehirns indes sind Neuronen (nicht-lineare, analoge Operatoren), kontinuierliche Variablen (Potential kann verschiedene Werte annehmen); die Schaltkreise oszillieren.

Die Hundewolke

Die neurobiologische Repräsentation eines komplexen, polymodalen Objektes (Singer verwendete das Beispiel eines Hundes, dessen Bellen man wahrnimmt, dessen Fell man fühlt etc.) ist eine ganz komplizierte, raum-zeitliche ›Aktivitätenwolke‹, die durch musterspezifische Eingangssignale in das Netz gespeist werden, die mit der Architektur des Netzwerkes interagieren. Dieses Netzwerk fungiert als inneres Modell der Welt, weil es in seiner strukturellen Ausbildung aufgrund genetischer Vorgaben schon sehr viel Wissen über die Welt hat, Wissen, das zusätzlich noch überformt wird durch Lernvorgänge. Das bedeutet, daß das Substrat unserer Wahrnehmung das Ergebnis einer Rekonstruktion ist, die dadurch zustande kommt, daß Signale aus der Umwelt mit einem System interagieren, dessen Architektur Vorwissen, Erwartungen, Hypothesen enthält, und aus dem Vergleich entsteht dann ebenjene Wolke, die als das interpretiert wird, was wir kennen, etwa ein Hund.

In Anspielung auf die Haeckelsche Biogenetische Grundregel, die besagt, daß die Ontogenese eine verknappte Rekapitulation der Phylogenese ist, fuhr Singer fort: Ein Teil des Weltwissens ist durch die Evolution erworben, also in den Genen gespeichert. Ein anderer Teil wird nach der Geburt durch Lernvorgänge an die jeweils spezifischen und aktuellen realen Gegebenheiten angepaßt, und diese eleganten Lernmechanismen erfolgen nach Regeln, die sich deutlich von denen künstlicher Systeme unterscheiden, siehe die Hebbsche Regel.

Das Gedächtnis des Teiches

Singer zog dann zur Verdeutlichung das Bild eines ruhigen Teiches mit völlig glatter Wasseroberfläche heran, in die ein Kind zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten unterschiedlich große Steine wirft, so daß unterschiedliche Wellenmuster, Interferenzen entstehen. »Der Teich«, so Singer, »erinnert sich solange an die Ereignisse, als diese Wellen anhalten.« Neuronale Netze verhalten sich wie ein Teich: Wenn Informationen hereinkommen, entstehen Muster, die das Resultat eines Vergleichs der sensorischen Eingänge mit der bereits vorgegebenen Struktur sind. Sollte dies stimmen, betonte Singer, stünde die Neurobiologie derzeit vor einem Paradigmenwechsel. Auf den Diskurs der Willensfreiheit habe dies allerdings so gut wie keinen Einfluß. Singer hielt zwar fest, daß es im Augenblick der Entscheidung keine Möglichkeit gebe, sich anders zu entscheiden. Er betonte jedoch zugleich, daß Kausalität und Determiniertheit, die das System im Kopf, das an der Grenze zum Chaos funktioniere, auszeichne, durchaus mit Kreativität, Originalität und Überraschungen vereinbar wäre.

Die Qual der Qualia

Was das Bewußtsein betrifft, so gibt es kein Zentrum, keinen Ort im Gehirn, an dem man eine solche holistische Größe finden oder festmachen könnte. Was man allerdings weiß, ist, daß auch Tiere Bewußtsein haben. »Tiere können mehr, als wir ihnen oft zutrauen«, so Singer. Ungelöst bleibt nach wie vor die Frage nach der immateriellen Dimension, die man mit dem Bewußtsein verbindet: die Qualia von Bewußtseinsinhalten. Wie kann das Gehirn aus materiellen Interaktionen so etwas Immaterielles wie Gefühle, Glaubensinhalte oder Selbstwahrnehmung erzeugen? Der bruchlose Prozeß von biologischer und kultureller Evolution muß als ein natürlicher Lernprozeß verstanden werden. Die immaterielle Dimension, das Geistige, das Subjektive ist real und wirkmächtig; sie ist eine Kulturleistung, eine »soziale Realität«. Die Phänomene des Immateriellen kommen in der vorkulturellen Welt nicht vor. Sie entstehen erst durch soziale Interaktionen und gegenseitige Bespiegelung. Indem sie erkannt und benannt werden, werden sie in die soziale Realität überführt und integriert. Unsere Wahrnehmungen sind das Ergebnis von Konstruktionen, die auf Vorannahmen beruhen. Wenn das auch für die Selbstwahrnehmung gilt, bedeutet das, daß das Vorwissen auf der sozialen Realität beruht, nicht auf Erfahrungen mit der dinglichen Welt; dieses Vorwissen hilft uns bei Interpretationen, die wir uns zuschreiben. Evgeny Morozov drückte dies erst kürzlich in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgendermaßen aus:

Diese Art von vernunftbegabter Intelligenz kann niemals durch eine künstliche ersetzt werden, weil KI-Systeme keine Lebensgeschichte, Traumata, Hoffnungen und Ängste haben. Da sie keine Körper besitzen und nicht in der Gegenwart verortet sind, können sie nur vorhersagen, aber niemals interpretieren.

Singers Plädoyer

Singer schloß nach gut einer Stunde mit einem transdisziplinären Aufruf: Wir müssen alles tun, um die Dichotomie zwischen Natur- und Kulturwissenschaften zu beerdigen. Neurobiologen werden nie in der Lage sein, die immaterielle Dimension durch Beobachtungen am Gehirn zu erschließen; die Beschreibungskonvention ist defizitär. Hier übernehmen die Humanwissenschaften mit ihren Einsichten und ihrem Vokabular. »Wir müssen damit anfangen, miteinander zu reden«, so Singer. »Wir haben überhaupt keine Begriffe für diese Welt.« Die Philosophen müssen ihrerseits lernen, wie es in der Natur zugeht. Wir brauchen interdisziplinäre Curricula.

Es denkt in mir!

Die abschließende Diskussion brachte interessante Impulse und warf wichtige Fragen auf, etwa zur Synästhesie, zur Gehirnaktivität eines bewußtlosen Menschen im Tiefschlaf oder zu Verantwortung und Schuldfrage. Es sei nur der folgende Dialog erwähnt, gekürzt:

»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, stellt unser Gehirn fortlaufend Vermutungen über die Welt da draußen an, gleicht die Sinneseindrücke ab und daraus konstruiert unser Gehirn die Realität, die wir wahrnehmen als eine kontrollierte Halluzination. Und mein Ich ist nichts weiter als ein Konstrukt meines Gehirns. Zweidrittel meiner bewußten Wachheit habe ich gar keine Kontrolle über meine Gedanken. Es denkt in mir! Und irgendwie versuche ich in zehn Prozent oder einem Drittel, die Gedanken zu beherrschen. Habe ich das richtig verstanden?«

»Ja, ja! Sie hätten meinen Vortrag halten können!«

(Singer nahm noch weitere Ausführungen zu dieser Problematik vor, etwa zum Bereich der sozialen Realität unterschiedlicher Kulturräume und die damit einhergehende unterschiedliche Wahrnehmung sowie die Anpassung des Toleranzbegriffs: »Man muß dem anderen zugestehen, daß er das anders sieht. Man darf ihm das nicht versuchen auszureden. Das ist seine Wahrheit; dafür kann er nichts.«)

Festlich beflaggter Prinzipalmarkt (Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Mai 2023)

Wie passend, daß diese Mitschrift des Singerschen Vortrags am 375. Jahrestag des Friedens von Münster veröffentlicht worden ist. Die sozialen Realitäten Spaniens und der Niederlande trafen sich am 15. Mai 1648 in einer feierlichen Friedenszeremonie im Historischen Rathaus und führten das Ende des Achtzigjährigen Krieges herbei.


Von Selbstzweifeln zur Selbsthistorisierung

In der aktuellen Ausgabe von Sinn und Form findet sich ein berührender Beitrag Ernst Osterkamps, in dem der emeritierte Literaturwissenschaftler und -kritiker melancholisch wie begeistert zurückblickt auf die Zeit seines Studiums und der zweijährigen Arbeit an seiner komparatistischen Dissertation über Luzifer. Stationen eines Motivs an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster von 1968 bis 1977. Ausgangspunkt dieser Erinnerungen war der Fund Li Tianjues, die im Rahmen ihrer Dissertation zum großen Thema »Hans Blumenbergs Goethe-Rezeption im Kontext seiner Philosophie« im Herbst 2020 im Deutschen Literaturarchiv Marbach in Blumenbergs Nachlaß auf einen Eintrag in der Leseliste des Philosophen gestoßen war, die das Manuskript von Osterkamps Doktorarbeit unter dem Datum des 27. April 1977, gut vier Wochen vor der mündlichen Prüfung des noch sechsundzwanzigjährigen Doktoranden, verzeichnet. Blumenberg ist somit »der erste freiwillige Leser«, so Osterkamp, dieser Qualifikationsschrift gewesen, und von diesem Umstand erfuhr ihr Verfasser erst 43 Jahre später.

Sinn und Form, 5/2021 (Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Oktober 2021)

Neben einigen glänzenden Formulierungen – die Beschreibung Lea Ritter-Santinis (1928-2008) mit den Worten: »Sie ging nicht, sondern sie wehte durch dessen [des Germanistischen Instituts] Flure, und hinter ihr wehte ein langer Seidenschal und hinter dem Schal wehten herrlichste Düfte« ist nur ein Beispiel – fällt Osterkamps Fazit mit besonderer poetisch-philosophischer Gewichtung auf:

Ich bin zur Figur einer wissenschaftsgeschichtlichen Anekdote geworden, und das ist eine angenehme Art, sich selbst historisch zu werden.

Der absolute Leser Blumenberg verleiht dem von Selbstzweifeln geplagten Doktoranden Osterkamp, der seine Dissertation im Münsteraner Aasee zu deponieren wünschte, mit über vier Jahrzehnten Verspätung Selbstgewißheit und Stolz, zumal sich Blumenberg in einem Nachlaß-Typoskript (»De Thou«) zu Arbeit am Mythos explizit und zustimmend auf Osterkamps Studie als Quelle beruft.


Ernst Osterkamp. »Der erste Leser oder Wie ich mir selbst historisch wurde.« Sinn und Form. Beiträge zur Literatur, herausgegeben von der Akademie der Künste, 73. Jahr, Heft 5, September/Oktober 2021, pp. 652-63.


Im Westen was Neues

Assoziationsräume kontinentaler Dimensionen taten sich auf, als ich kürzlich über einen unscheinbaren Druckfehler stolperte. Im Habermas-Themenheft der Zeitschrift für Ideengeschichte findet sich der folgende Satz:

Die Strauss’sche Pointe erinnert an ein Bonmot des Habermas-Schülers Claus Offe zur Zeit des Mauerfalls, nachdem es für den Western nun darauf ankäme – nicht nur besser, sondern gut zu sein.

Gemeint ist hier natürlich nicht das Kino-Genre des Westerns, sondern der Westen, sprich die politische Welt der NATO-Staaten et al., die dem Ostblock entgegenstanden. Daß sich nun dieser Tippfehler ausgerechnet in einem Text befindet, der sich mit einem Brief des in Chicago (und damit auf der nordamerikanischen Bühne des Westerns) lehrenden Leo Strauss an Jürgen Habermas vom 27. April 1964 beschäftigt, ist ebenso verblüffend wie der Name des Autors dieses Kurzbeitrags: Der 1957 geborene, an der Universität Halle-Wittenberg lehrende Politikwissenschaftler Harald Bluhm öffnet unbeabsichtigt einen weiteren Assoziationskanal ins Land des Westerns durch die Ähnlichkeit seines Namens mit dem des 2019 verstorbenen amerikanischen Literaturwissenschaftlers Harold Bloom.

So werden Gedankenräume durch einen zusätzlichen Buchstaben besiedelt und erobert, was den politischen Westen in einen mythischen verwandelt.


Harald Bluhm. »Ein politischer Denkzettel aus Chicago. Leo Strauss liest die Leviten.« Zeitschrift für Ideengeschichte, Heft XV/3, Herbst 2021, pp. 28-30, hier p. 30.


Sendbote

Ich mußte das äußerst fundierte und empfehlenswerte Blumenberg-Portrait Jürgen Goldsteins bis zur 515. Seite lesen, um auf eine lokale Jahrmarktsinformation zu stoßen, die mir als jemand, der immerhin zwölf Jahre in Münster gelebt und studiert hat, neu war. Goldstein zitiert aus einem Tonbandmitschnitt einer Vorlesung, die Hans Blumenberg im Sommersemester 1984 zum Thema »Realität und Realismus« im Hörsaal VIII des Münsteraner Schlosses gehalten hat. Blumenberg hatte die Sitzung bereits mit einleitenden Worten begonnen, als einige Studenten verspätet Platz nahmen:

»Ich weiß, meine Damen und Herren, es ist heute ungeheuer mühsam sich durch den Send durchzuarbeiten, den Versuchungen der dort angebotenen Rollmöpse und allem andern zu widerstehen. Ich wäre auch beinah dort hängen geblieben.« Allgemeines Gelächter. Pause. (Jürgen Goldstein. Hans Blumenberg. Ein philosophisches Portrait. Matthes & Seitz, 2020, p. 515.)

Der Send, ein im Frühjahr, Sommer und Herbst zunächst auf dem Domplatz und dem Prinzipalmarkt, später dann auf dem Platz vor dem Schloß stattfindendes Volksfest, das vermutlich seit dem 11., urkundlich belegt seit dem frühen 16. Jahrhundert in Münster Schausteller und Besucherströme anzieht, war mir als Rollmopsregion gänzlich unbekannt. Was Blumenberg, dessen Veranstaltungen sendartig Augen- und Ohrenzeugen aller Couleur anlockten, die nicht nur intellektuell angeregt wurden, sondern auch auf ihre Lachkosten kamen, mit »allem andern« meint, könnte sich auf den folgenden Send-Impressionen eventuell erkennen lassen.

Frühjahrssend: Riesenrad am Mittag (Kristy Husz, März 2010, bearbeitet von Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Mai 2021)

Frühjahrssend: Blick aufs Schloß (Kristy Husz, März 2010, bearbeitet von Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Mai 2021)

Frühjahrssend: Ballonberg statt Blumenberg (Kristy Husz, März 2010, bearbeitet von Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Mai 2021)

Frühjahrssend: Blick vom Schloß (Kristy Husz, März 2010, bearbeitet von Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Mai 2021)

Frühjahrssend: Riesenrad am Abend (Kristy Husz, März 2010, bearbeitet von Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Mai 2021)

Frühjahrssend: Goldene Gondeln (Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, März 2011, bearbeitet von NSE, Mai 2021)

Herbstsend: The (Ivory?) Tower (Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Oktober 2019, bearbeitet von NSE, Mai 2021)


Was war geschehen?

In der Hudson Review stoße ich auf eine lesenswerte Besprechung Brooke Allens, die sich durch persönliche Erfahrungen der Rezensentin mit der Thematik des zu besprechenden Titels – der grassierenden, immer aggressiver und auch außerhalb universitärer Mauern auftretenden, anti-liberalen und anti-aufklärerischen Social Justice-Ideologie – auszeichnet. Allen berichtet:

Nach Abschluß meiner Promotion verließ ich die akademische Welt für fast zwei Jahrzehnte, um eine Familie zu gründen und freiberuflich zu arbeiten. Dann nahm ich eine Stelle als Literaturdozentin an einem kleinen Liberal Arts College an. Als ich Anfang 2011 dort ankam, war der Ort nach Columbia wunderbar erfrischend. Statt ernsthafter Pedanten, die starre Doktrinen in sich aufsaugen und wiederkäuen, fand ich einen Campus voller offener, intellektuell neugieriger, enthusiastischer, charmanter junger Menschen vor. Jeder beteiligte sich an Unterrichtsdiskussionen; sie alle studierten, was sie liebten.

Im Jahr 2015 hatte sich das komplett geändert. Die Studenten waren unruhig, leicht beleidigt, weinerlich. Sie waren auch untätig und hilflos. Jeder, aus Gründen, die ich nicht verstehen konnte, beschuldigte immer alle anderen, rassistisch zu sein. (Einige Fakultätsmitglieder frönten auch dieser Tätigkeit.) Die Leute wurden unangemessen kratzbürstig, wenn man sie mit dem falschen Geschlechtspronomen ansprach. Es schien, daß jede einzelne der Studentinnen eine Überlebende einer Vergewaltigung oder eines sexuellen Übergriffs (sehr locker definiert) war. Viele Studenten behaupteten, an Posttraumatischer Belastungsstörung zu leiden, obwohl, soweit ich wußte, niemand auf einem Schlachtfeld gewesen war. Viele andere klagten über Angstzustände und schienen dies für einen ausreichenden Grund zu halten, Unterricht und schriftliche Arbeiten zu schwänzen. Eine ganze Reihe von neuen Floskeln wurde nun ehrfürchtig geäußert. Intersektionalität. Kulturelle Aneignung. Mikroaggressionen. Schwarze und braune Körper. Meine gelebte Erfahrung. Der Vertrag eines langjährigen, beliebten Lehrers wurde nicht verlängert, als er den Mädchen in seiner Klasse sagte, sie sollten nicht ›hysterisch‹ werden. Als Siebzigjähriger war er sich nicht bewußt, daß das Wort ›geschlechtsspezifisch‹ und ›beleidigend‹ war. Die Angelegenheit spitzte sich bei einer Abschlußfeier zu, als der Abschiedsredner das College eine Einrichtung ›weißer Herrschaft‹ [»white supremacist«] nannte. Eltern und Professoren, die alt genug waren, um sich an Orte zu erinnern, die wirklich von ›weißer Herrschaft‹ geprägt waren – Rhodesien, das Südafrika der Apartheid, der Jim-Crow-Süden –, wurden verständlicherweise wütend, als dieser Begriff durch die Anwendung auf die vielleicht aufgeweckteste [»wokest«] Quadratmeile der Welt verbilligt wurde.

Was um alles in der Welt war mit diesem Ort geschehen? Die Soziale Gerechtigkeit [»Social Justice«] war angekommen; und weit davon entfernt, das College zu einem besseren Ort zu machen, hatte sie es nachweislich schlechter gemacht. Ich kündigte meinen Job dort, sobald ich anständigerweise konnte, und arbeitete weiter im Gefängnisprogramm des Colleges, das so reizvoll war und ist, wie es das College selbst einmal gewesen war. Ich wußte, daß ich die Eskapaden auf dem Campus nicht mehr ertragen konnte, aber ich verstand immer noch nicht richtig, was geschehen war, und erst als ich Cynical Theories las, wurde mir alles klar.

Vielleicht ist es keine allzu schlechte Idee, das Buch von Helen Pluckrose und James Lindsay, die bereits 2017/18 mit der sogenannten grievance studies affair in den Geistes- und Sozialwissenschaften für Furore gesorgt hatten, auf die Lektüreliste zu setzen.


Brooke Allen. »Social Justice Groupthink.« Rezension zu Cynical Theories: How Activist Scholarship Made Everything about Race, Gender, and Identity—and Why This Harms Everybody, von Helen Pluckrose und James Lindsay. The Hudson Review, vol. LXXIV, no. 1, Spring 2021, https://hudsonreview.com/2021/05/social-justice-groupthink/#.YJr5VIeSnBj.


Safe Space

Nachdem das Buch Orientalism 1978 erschienen und geradezu überschwenglich rezipiert worden war, mußten für seinen Verfasser, den Literaturtheoretiker Edward Said (1935-2003), erhöhte Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden:

Saids plötzlicher Weltruhm hatte die unglücklichen Auswirkungen, die Stolz oft mit sich bringt, und weil jeder ein Stück von ihm haben wollte, nutzte er das aus. Seine Schwester Grace beklagte sich über einen neuen Hochmut, eine »Garstigkeit«, die die Familienbeziehungen belastete. Es gab auch noch andere Auswirkungen: Neben dem Büro des Präsidenten der Columbia University hatte nur Saids Büro kugelsichere Fenster und einen Summer, der ein Signal direkt an den Sicherheitsdienst auf dem Campus sendete.

Das Buch, das einschlug wie eine Bombe, bedrohte den Autor nicht nur mit rhetorischen Splittern; Kollateralschäden sind noch heute spürbar.


Timothy Brennan. »The Making of Edward Said’s ›Orientalism‹.« The Chronicle of Higher Education, March 19, 2021, [www.chronicle.com/article/t….


It was forty semesters ago today

Am heutigen 1. Oktober jährt sich der Beginn meines Hochschulstudiums zum zwanzigsten Mal: Zum Wintersemester 2000/2001 – Gerhard Schröder war seit zwei Jahren Bundeskanzler, die Terroranschläge des 11. September hatten noch nicht stattgefunden und auf das erste iPhone mußte man noch sieben Jahre warten – startete ich an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit dem Diplomstudiengang Geologie/Paläontologie, bevor ich im Sommersemester 2002 vom Coesfelder Kreuz an den Domplatz, von den Natur- in die Geisteswissenschaften wechselte, hin zur Deutschen Philologie, Allgemeinen Sprachwissenschaft sowie zur Neueren und Neuesten Geschichte auf Magister. (Privat zog ich vom Gievenbecker Nienborgweg, 2000-2009, zur Annenstraße am Südpark, 2009-2010, schließlich in die Von-Einem-Straße vor den Toren Kinderhaus’, 2010-2012.) Grund genug, an diesem runden Jahrestag als Alumnus einen Blick in mein grünes Studienbuch zu werfen und die seinerzeit noch handschriftlich ausgefüllten Belegbögen der einzelnen Semester ins Digitale und Globale zu überführen.

Studienbuch und Ausweis für Studierende
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, September 2020)

  • BS = Blockseminar
  • HS = Hauptseminar
  • Ko = Kolloquium
  • (L)K = (Lektüre-)Kurs
  • OS = Oberseminar
  • PS = Proseminar
  • Ü = Übung
  • VL = Vorlesung

Wintersemester 2000/2001: Diplomstudium

Wo alles begann: Das Institut für Geologie und Paläontologie der WWU Münster, Corrensstr. 24
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, September 2020)

144204
Allgemeine Geologie – Exogene Dynamik (VL)
Heinrich Bahlburg
Mo-Do, 09:15-10:00, HS 2, IG I

144147
Einführung in die Paläontologie (Allgemeine Paläontologie) (VL)
Friedrich Strauch
Mo-Di, 10:00-11:00, HS 3, IG I

120788
Allgemeine Chemie und Einführung in die anorganische Chemie für Chemiker (Diplom und Lehramt), Lebensmittelchemiker, Pharmazeuten (1. Sem. AAppO) und weitere Naturwissenschaftler (VL)
Franz Ekkehardt Hahn
Mo-Fr, 12:00-13:00, C 1

120630
Theoretische Übungen zur Vorbereitung auf das anorganisch-chemische Praktikum für Biologen und Landschaftsökologen (Diplom) (Ü)
Hans-Dieter Wiemhöfer
Mo 18:00-20:00, C 1

110188
Physik für Naturwissenschaftler I (VL)
Heinrich Franz Arlinghaus
Di, Do, Fr, 08:00-09:00, HS 1, IG I

144132
Übungen zur Einführung in die Paläontologie (Allgemeine Paläontologie) (Ü)
F. Stiller
Do, 10:00-12:00, R. 518, AVZ, Corrensstr. 24


Sommersemester 2001: Diplomstudium

Der erste Übungsschein: »mit Erfolg«
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Juli 2001)

140204
Allgemeine Landschaftsökologie (VL)
Friedrich-Karl Holtmeier
Mo-Do, 08:00-09:00, Hörsaal Robert-Koch-Str. 26

143969
Einführung in die Paläobotanik (VL, Ü)
Hans Kerp
Mo, 14:00-17:00, SR Paläobotanik, Hindenburg-Platz 57

143901
Übungen zur Geologischen Karte (Ü)
Heiko Zumsprekel
Mi, 10:00-12:00, SR G, IG I

144750
Allgemeine Mineralogie (VL, Ü)
Cornelia Schmitt-Riegraf, Jürgen Löns
Mi, 12:00-14:00, Do, 11:00-13:00, Fr. 12:00-14:00, HS 2, IG I

140219
Allgemeine Landschaftsökologie (Ü)
Brauckmann
Do, Robert-Koch-Str. 26

Schriftliche Ausarbeitungen

  • Protokoll zu den Geländetagen im westlichen Teutoburgerwald, 14.-16.06.01

Wuchtig: Die Institutsgruppe I in der Wilhelm-Klemm-Str. 10, in der ein Großteil der Veranstaltungen stattfand
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, September 2020)

Wintersemester 2001/2002: Diplomstudium

140423
Allgemeine Hydrogeologie (VL)
Wilhelm G. Coldewey
Mo, 11:00-13:00, HS 3, IG I

141276
Spezielle Mineralogie und Einführung in die Petrologie (VL)
Christian Ballhaus
Mo, 13:00-16:00, SR E, IG I

140208
Einführung in die Tektonik (Tektonik I) (VL, Ü)
Eckard Speetzen
Mi, 10:00-12:00, R. 518, AVZ, Corrensstr. 24

141280
Mineral- und Gesteinsbestimmungen (Ü)
Christian Ballhaus
Fr, 11:00-14:00, SR E, IG I

080??
Einführung in die lateinische Sprache I (Ü)
Gotthard Schmidt
Vierstündig, HS 220, Pferdegasse 3


Sommersemester 2002: Magisterstudium

Neuere deutsche Literaturwissenschaft: Der erste Seminarplan
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, April 2002)

090204
Einführung in das Studium der deutschen Sprachwissenschaft (PS)
Benjamin Stoltenburg
Mo, 10:00-12:00, J 121

080742
Einführung in die lateinische Sprache II (Ü)
Gotthard Schmidt
Mo, 16:00-18:00, S 6; Do, 16:00-18:00, S 2

090075
Kasusphänomene des Deutschen (VL)
Rudolf Schützeichel
Di, 09:00-10:00, J 12

081112
Einführung in das Studium der Alten Geschichte: Reisen in der alten Welt (PS)
Hans-Christian Schneider
Di, 16:00-18:00, F 10; Mi, 12:30 s.t.-14:00, R 232, Fürstenberghaus

091177
Einführung in das Studium der neueren deutschen Literaturwissenschaft (PS)
Ortwin Lämke
Mi, 09:00-11:00, R 20, Fürstenberghaus

097979
Einführung in das Studium der Allgemeinen Sprachwissenschaft II (Ü)
Hartwig Franke
Mi, 14:00-16:00, HS 220, Pferdegasse 3

080871
Geschichte des westlichen Mittelmeerraumes (bis zum Ende des Zweiten Punischen Krieges) (VL)
Norbert Ehrhardt
Do, Fr, 10:00-11:00, R 232, Fürstenberghaus

090018
Einführungsvorlesung für Erst- und Zweitsemester in allen Studiengängen (VL)
S. Günthner, V. Honemann, J. Macha, E. Rolf, J. Splett, H. Kraft
Fr, 14:00-16:00, Audimax, Johannisstr. 12-20

Referate und Seminararbeiten

  • Textuntersuchung zu Arno Schmidts »Leviathan oder Die beste der Welten« unter der Fragestellung »Ist der Ich-Protagonist religiös?«
  • Rechercheaufgabe: Georg Büchner
  • (Zusammen mit Linda Kutt und Alexander Keil) Die Reisen des Apostels Paulus

Wintersemester 2002/2003: Magisterstudium

Ceci n’est pas un baron: Die Statue Freiherr von Fürstenbergs vor dem Fürstenberghaus, in dem ein Großteil der Veranstaltungen stattfand
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, September 2020)

080784
Einführung in die lateinische Sprache III (Ü)
Gotthard Schmidt
Mo, Do, 09:00-11:00, S 2

090102
Rhetorik und Kultur (VL)
Martina Wagner-Egelhaaf
Mo, 16:00-18:00, J 12

097949
Narrativik und Textlinguistik (VL)
Edeltraud Bülow
Di, 12:00-13:00, Institut Bergstr. 29a

080985
Das Reich in der Krise: Deutsche Geschichte von 1250 bis 1350 (VL)
Heike Johanna Mierau
Di, 14:00-16:00, Fürstenberghaus

091295
Heinrich von Kleist (PS)
Ortwin Lämke
Mi, 11:00-13:00, R 029, Fürstenberghaus

097968
Einführung in das Studium der Allgemeinen Sprachwissenschaft I (Ü)
Hartwig Franke
Mi, 14:00-16:00, HS 220, Pferdegasse 3

081192
Einführung in das Studium der mittelalterlichen Geschichte: Menschen und ihre Umwelt im Mittelalter (PS)
Thomas Scharff
Do, 14:00-16:00, R 32, Georgskommende 14; Fr, 11:00-13:00, R 1, Georgskommende 14

09xxxx
Tutorium zur Einführungsübung Allgemeine Sprachwissenschaft (Ü)
Robert Memering, Nicki Marten
Do, 16:00-18:00, Institut Bergstr. 29a

090299
Einführung in die Analyse der deutschen Gegenwartssprache (PS)
Götz Hindelang
Do, 18:00-20:00, J 122

090011
Einführungsvorlesung für Erstsemester in den Studiengängen SI/SII/Magister (VL)
T. Althaus, V. Honemann, A. Kilcher, L. Köhn, H. Kraft, D. Kremer, E. Ribbat, M. Wagner-Egelhaaf
Fr, 14:00-16:00, Audimax, Johannisstr. 12-20

Referate und Seminararbeiten

  • (Zusammen mit Julia Frenking) Moderation: Semiotik (Wellbery); Referat: Das Käthchen von Heilbronn (1810)
  • Gustav, Toni und ›die Neger‹ – Über die Farb- und Lichtmetaphorik in Heinrich von Kleists »Die Verlobung in St. Domingo«
  • (Zusammen mit Ute Aben) Das mittelalterliche Weltbild – Raumvorstellungen und Vorstellungen von der Erde

Sommersemester 2003: Magisterstudium

»Gender Studies im Alltag.« Titelseite des Kommentierten Vorlesungsverzeichnisses des Instituts für Allgemeine Sprachwissenschaft
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, April 2003)

097990
Einführung in die Beschreibungskonventionen der neueren generativen Syntaxtheorie (PS)
Heinz Alfred Bertz
Mo, 14:00-16:00, Institut Bergstr. 29a

097947
Grundzüge der Pragmalinguistik (VL)
Edeltraud Bülow
Di, 12:00-13:00, Institut Bergstr. 29a

090100
Deutsche Literatur – ein Kanon I (VL)
Ernst Ribbat
Di, 16:00-18:00, Audimax

090388
Einführung in die älteren Sprachstufen des Deutschen (PS)
Hans-Jörg Spitz
Mi, 08:00-10:00, J 121

091370
Albert Ehrenstein (PS)
Andreas Kilcher
Mi, 11:00-13:00, R 029, Fürstenberghaus

081444
Das mittelalterliche Königtum: Rechte, Pflichten, Herrschaftspraxis (K)
Gerd Althoff
Mi, 14:00-16:00, R 1, Georgskommende 14

090115
Jean Paul: Variationen des Romans (VL)
Andreas Kilcher
Do, 09:00-11:00, J 12

081152
Die Zerstörung der Weimarer Demokratie (Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert) (VL)
Ernst Laubach
Do, 11:00-13:00, S 1

097985
Morphologie (PS)
Hartwig Franke
Fr, 09:00-11:00, Institut Bergstr. 29a

Referate und Seminararbeiten

  • Albert Ehrenstein: Tubutsch – Kontext und Rezeption
  • »Der ewige Jude« – Albert Ehrensteins Ahasver-Figur im Vergleich mit anderen literarischen Adaptionen
  • Adjektivflexion der isolierenden, flektierenden, agglutinierenden und inkorporierenden Sprachtypen

Wintersemester 2003/2004: Magisterstudium

»Karl der Große. Fresko im Kreuzgang des Doms von Brixen (Bressanone).« Titelseite des Kommentierten Vorlesungsverzeichnisses des Historischen Seminars
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, September 2003)

081103
Geschichte und Zukunft der Globalisierung (VL)
Stefan Haas
Mo, 16:00-18:00, F 3

090487
Das Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht (PS)
Henning von Gadow
Di, 10:00-12:00, J 121

097940
Psycholinguistik und kognitive Linguistik (VL)
Edeltraud Bülow
Di, 12:00-13:00, Institut Bergstr. 29a

090119
Deutsche Literatur – ein Kanon II (VL)
Ernst Ribbat
Di, 16:00-18:00, Audimax

081319
Einführung in das Studium der neueren Geschichte: Die Revolution von 1848 in West und Ost (PS)
Lothar Maier
Di, 18:00-20:00, F 2a; Mi, 11:00-13:00, R 209, Georgskommende 14

097936
Arten und Formen der Deixis (VL)
Clemens-Peter Herbermann
Mi, Do, 10:00-11:00, Institut Bergstr. 29a

090510
Semantik (PS)
Susanne Beckmann
Do, 12:00-14:00, J 120

090104
Die Heidelberger Romantik (VL)
Andreas Kilcher
Do, 14:00-16:00, J 12

090070
Metaphern im Kontext/Kontexte der Metapher (VL)
Eckard Rolf
Do, 18:00-20:00, J 12

098033
Eigennamen und Referenztheorie (PS)
Clemens-Peter Herbermann
Fr, 11:00-13:00, Institut Bergstr. 29a

Referate und Seminararbeiten

  • Die Menschenrechte: Erfindung der Frankfurter Paulskirche?
  • Die Verarbeitung von Eigennamen (EN) und Gattungsbezeichnungen (GB)
  • (Zusammen mit Johannes B. Finke) ReFraming. Eine zusammenfassende, kritische Betrachtung der linguistisch orientierten Frametheorie (unter besonderer Berücksichtigung der Konzeption K.-P. Konerdings)

Sommersemester 2004: Magisterstudium

Titelseite des Kommentierten Vorlesungsverzeichnisses der Institute für Deutsche Philologie I und II, Komparatistik, Niederländische Philologie und Nordische Philologie
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, März 2004)

081575
Geschichte des Films (HS)
Stefan Haas
Mo, 11:00-13:00, R 209, Georgskommende 14

08????
Geschichte der visuellen Kultur am Beispiel des Films (VL)
Stefan Haas
Mo, 16:00-18:00, F 3

090102
Geschichte der deutschen Literatur: Klassik und Romantik (VL)
Detlef Kremer
Di, 10:00-12:00, J 12

097934
Kommunikation und Metakommunikation. Beiträge zu einer Metalinguistik (VL)
Edeltraud Bülow
Di, 12:00-13:00, Institut Bergstr. 29a

090079
Schaubühne der Aufklärung: Theater 1730-1780 (VL)
Thomas Althaus
Mi, 11:00-13:00, J 12

091443
Heiner Müllers Medea Material (HS)
Karl Heinrich Hucke
Do, 09:00-11:00, Studiobühne

090743
Jacques Derrida (LK)
Rebecca Branner
Do, 12:00-14:00, J 120

082423
Grundkurs Theoretische Philosophie II: Einführung in die Erkenntnistheorie (VL)
Oliver R. Scholz
Do, 14:00-16:00, F 3

Referate und Seminararbeiten

  • Der »Medea«-Mythos: Herrschaftsstrukturen in den Adaptionen Euripides’ und Müllers
  • Ausstattungen eines Mythos: Die Medea Euripides’, Ovids und Senecas im Vergleich
  • Die Systematisierung der Konfusion: Surrealistische Tendenzen in »Magical Mystery Tour«

Wintersemester 2004/2005: Magisterstudium

Beinahe kafkaesk: Aufzeichnungen aus der Hebräisch-Stunde
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Oktober 2004)

09????
Hebräisch (Ü/BS)
Hartwig Franke
Mo, 09:00-11:00 (Ü bis 25.11.04, dann BS 06.-08.01.05), Institut Bergstr. 29a

080960
Nordamerika in der europäischen Weltwirtschaft, 17.-20. Jahrhundert (VL)
Georg Fertig
Mo, 16:00-18:00, F 3

090091
Dispositive der Sichtbarkeit (VL)
Detlef Kremer, Martina Wagner-Egelhaaf
Di, 10:00-12:00, J 12

091633
Einführung in die ästhetischen Schriften Walter Benjamins und Theodor W. Adornos (LK)
Renate Werner
Di, 14:00-16:00, F 9

097942
Allgemeine Zeichentheorie und Sprachzeichentheorie und ihre historischen Grundlagen (VL)
Clemens-Peter Herbermann
Mi, Do, Fr, 10:00-11:00, Institut Bergstr. 29a

081325
Widerstand gegen den König im frühen und hohen Mittelalter. Legitimation, Organisationsformen, Konsequenzen (K)
Gerd Althoff
Mi, 14:00-16:00, F 5

091490
Text – Bild – Bewegungsbild (HS)
Detlef Kremer
Do, 11:00-13:00, Studiobühne

090053
Symboltheorien (VL)
Eckard Rolf
Do, 18:00-20:00, J 12

098088
Satzglieder und Satzgliedfunktionen - Zur Informationsstruktur des Satzes (HS)
Clemens-Peter Herbermann
Fr, 11:00-13:00, Institut Bergstr. 29a

Vortrag
Sprache, Gene, Archäologie und die Vorgeschichte Europas
Bernard Comrie
Mi, 08.12.04, 18:00-20:00, J 122

Referate und Seminararbeiten

  • Die Tradition der Begriffspaare »Subjekt/Prädikat« sowie »Thema/Rhema« von Hermann Paul bis Karl Boost
  • Der medientechnische Wahrnehmungswandel: Über den Einfluss der Fotografie auf die Literatur
  • (Zusammen mit Lars Köllner) Roland Barthes: Der lesbare Text und die Lust am Text
  • (Zusammen mit Lars Köllner und Stephan Lütke Hüttmann) Dialektik der Aufklärung von Adorno und Horkheimer

Sommersemester 2005: Magisterstudium

Semesterprogramm und Referatsthemen des Hauptseminars »Reformation und Geschlechterverhältnis«
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, April 2005)

091756
Ästhetik des Raums. Raumkonfigurationen in der Literatur seit 1800 und im Film (VL)
Detlef Kremer
Mo, 11:00-13:00, J 12

091737
Kulturtheorien des 20. Jahrhunderts (VL)
Eric Achermann
Mo, 13:00-15:00, J 12

090544
Der Sprachgebrauch in den Medien (HS)
Franz Hundsnurscher
Mo, 18:00-20:00, J 122

081031
Ursprünge der Globalisierung: Die Entstehung der europäischen Weltwirtschaft, ca. 1500-1850 (VL)
Ulrich Pfister
Di, 12:00-14:00, F 2

081926
Lektüre und Interpretation niederrheinischer Quellen der Frühen Neuzeit (Ü)
Johannes Schreiner
Di, 18:00-20:00, R 32, Georgskommende 14

097940
Sprachliche Universalien – Geschichte und Theorie eines linguistischen Forschungszweigs (VL)
Clemens-Peter Herbermann
Mi, 10:00-11:00, Institut Aegidiistr. 5

081600
Reformation und Geschlechterverhältnis (HS)
Barbara Stollberg-Rilinger
Mi, 16:00-18:00, R 104, Fürstenberghaus

081027
Einführung in die Geschichte der Frühen Neuzeit (VL)
Barbara Stollberg-Rilinger
Do, 09:00-11:00, S 1

098086
Universalienforschung zur Semantik und zur sprachlichen Symbolisierung (HS)
Clemens-Peter Herbermann
Do, 11:00-13:00, Institut Aegidiistr. 5

090032
Symboltheorien II (VL)
Eckard Rolf
Do, 18:00-20:00, J 12

Referate und Seminararbeiten

  • Die Pressekritik von Karl Kraus: Indexikalisierung und konservative Sprachhygiene
  • Was bedeutet blau_? Zur Semantik der Grundfarbwörter als sprachliche Universalie_
  • (Zusammen mit Matthias Hahn) Anna Wierzbicka: The meaning of color terms
  • (Zusammen mit Evelyne v. Beyme) Das katholische Eherecht des Trienter Konzils

Wintersemester 2005/2006: Magisterstudium

Das Landhaus Rothenberge, in dem nicht nur diskutiert, sondern auch Tischtennis gespielt wurde
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Oktober 2005)

091233
Klassiker des Strukturalismus (Ü)
Eric Achermann
Mo, 16:00-18:00, R 124, Leonardo-Campus

090844
Mediendiskursanalyse (VL)
Ekkehard Felder
Di, 18:00-20:00, R 3, Leonardo-Campus

090940
Sprache und Kultur (VL)
Susanne Günthner
Mi, 12:00-14:00, J 12

091070
Mimesis und Fiktion (VL)
Eric Achermann
Mi, 14:00-16:00, J 12

091090
Einführung in die Texttheorie (historisch) (VL)
Moritz Baßler
Do, 10:00-12:00, J 12

091248
Einführung in die Texttheorie (LK)
Moritz Baßler
Do, 12:00-14:00, F 4

09????
Word & World. Practice and the Foundations of Language (BS)
Eckard Rolf
Mo-Mi, 17.-19.10.05, Landhaus Rothenberge

Referate und Seminararbeiten

Verfassen eines Exposés zur Magisterarbeit


Sommersemester 2006: Magisterstudium

Titelblatt meiner Magisterarbeit: Exemplar des Erstgutachters Detlef Kremer
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Juni 2006)

Keine belegten Veranstaltungen

Abgabe der Magisterarbeit, Juni 2006

Themen der mündlichen Prüfungen, September/Oktober 2006

  • Jean Paul: Theorie und Praxis
  • Schrift/Text, Bild, Bewegungsbild
  • Semiotik (unter besonderer Beachtung der Zeichentheorie Ch. S. Peirce’)
  • Eigennamentheorie
  • Deixis-Theorie
  • Die Revolution von 1848: Frankreich und ›Deutschland‹ im Vergleich
  • Die Darstellung des Holocaust im Spielfilm: »Schindlers Liste« und »Das Leben ist schön«

Wintersemester 2006/2007: Magisterstudium

Das Fürstenberghaus am Domplatz 20-22, vom Jesuitengang aus gesehen, in dem damals auch noch die germanistische Institutsbibliothek beheimatet war
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Januar 2007)

Keine belegten Veranstaltungen

Vorbereitung eines Exposés zur Dissertation


Sommersemester 2007: Promotionsaufbaustudium

Studierendenausweis/Semesterticket für das Sommersemester 2007
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Februar 2007)

090772
Positionen der Medientheorie (VL)
Detlef Kremer
Mo, 16:00-18:00, J 12

091620
Ästhetische Selbstreferenz (VL)
Achim Hölter
Di, 10:00-12:00, J 12

090127
Grammatik der deutschen Sprache (Ü)
Götz Hindelang
Do, 12:00-14:00, J 121

090533
Syntax der deutschen Gegenwartssprache (VL)
Eckard Rolf
Do, 16:00-18:00, J 12

091434
Sprachtheorien (VL)
Eckard Rolf
Do, 18:00-20:00, J 12

092134
Thomas Bernhard: Ausgewählte Prosa (BS)
Wolfgang Bender
Mo-Di, 16.-24.07.07, Fürstenberghaus

Referate und Seminararbeiten

  • Spazierengehen/Schreibengehen/Lesengehen. Dekonstruktive Lektüre(n) zu Thomas Bernhards Gehen

Wintersemester 2007/2008: Promotionsaufbaustudium

Der 78jährige Jürgen Habermas während seines Vortrags im Hörsaal H 1
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Januar 2008)

097933
Sprachphilosophie und/oder/als Neurophilosophie? (VL)
Edeltraud Bülow
Di, 12:00-13:00, Institut Aegidiistr. 5

092305
Zeichentheorie (OS)
Eric Achermann
Di, 18:00-20:00, SR 1, Fürstenberghaus

084205
Einführung in die Erkenntnistheorie (VL)
Andreas Hüttemann
Mi, 10:00-12:00, PC 7

090556
Klassiker der Weltliteratur. Ihre Rezeption und Wirkung in Deutschland (I) (VL)
Achim Hölter
Mi, 12:00-14:00, PC 7

091969
Zur Beziehung von Text und Bild. Geschichte und Theorie (VL)
Eric Achermann, Tomas Tomasek
Mi, 14:00-16:00, J 12

091476
Sprachtheorien II (VL)
Eckard Rolf
Do, 18:00-20:00, J 12

Vortrag
Die Revitalisierung der Weltreligionen. Herausforderung für ein säkulares Selbstverständnis der Moderne?
Jürgen Habermas
Mi, 30.01.08, 18:00-20:00, H 1

Referate und Seminararbeiten

  • (Zusammen mit Evelyne v. Beyme) Charles Sanders Peirce (1839-1914)

Sommersemester 2008: Promotionsaufbaustudium

Auszug aus meinen Mitschriften der Vorlesung »Semiologie, Sprechakttheorie, Grammatikologie« von Eckard Rolf sowie des Vortrags »Roland Barthes. Literarische Szenographien der Gesellschaft« von Marion Bönnighausen, gehalten im Rahmen der Ringvorlesung »In(ter)ventionen. Literatur – Gesellschaft – Politik«
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Mai 2008)

090884
Semiologie, Sprechakttheorie, Grammatikologie (VL)
Eckard Rolf
Do, 18:00-20:00, J 12

084390
Einführung in die Sprachphilosophie (VL)
Rosemarie Rheinwald
Fr, 14:00-16:00, Fürstenberghaus

Referate und Seminararbeiten

Weder noch


Wintersemester 2008/2009: Promotionsaufbaustudium

Zwar nicht der letzte Schrei, dafür jedoch der letzte Schein
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Mai 2009)

098310
Kognitive Linguistik. Grundlagen und Perspektiven (VL)
Edeltraud Bülow
Mo, 09:00-10:00, Institut Aegidiistr. 5

098324
Interdisziplinarität und Multimedialität der kognitiven Linguistik (HS)
Edeltraud Bülow
Mo, 10:00-12:00, Institut Aegidiistr. 5

090979
Klassiker der Weltliteratur. Ihre Rezeption und Wirkung in Deutschland (III) (VL)
Achim Hölter
Mi, 14:00-16:00, F 2

092307
Bedeutungstheorien – Theories of Meaning (VL)
Eckard Rolf
Do, 18:00-20:00, J 12

084795
Mensch und Kultur (VL)
Spree
Fr, 10:00-12:00, S 2

Referate und Seminararbeiten

  • Kognitive Semiotik. Versuch einer Beschreibung mentaler Repräsentationen vermittels der zeichentheoretisch-pragmatizistischen Überlegungen Charles Sanders Peirce’

Sommersemester 2009: Promotionsaufbaustudium

Beginn von Jürgen Kaubes Nachruf auf meinen Doktorvater Detlef Kremer, der am 3. Juni 2009 völlig überraschend gestorben ist.
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.06.2009, p. 34)

084167
Einführung in die Metaphysik (VL)
Oliver R. Scholz
Do, 16:00-18:00, F 2

091605
Bedeutungstheorien II – Theories of Meaning II (VL)
Eckard Rolf
Do, 18:00-20:00, R 118, Vom-Stein-Haus

Referate und Seminararbeiten

Weder noch


Wintersemester 2009/2010: Promotionsaufbaustudium

Hörsaal im Münsteraner Schloß
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, März 2010)

092131
Doktorandenkolloquium (Ko)
Eckard Rolf
Do, 18:00-20:00, R 010, Vom-Stein-Haus

Vortrag
Language and Social Ontology
John R. Searle
Di, 08.12.09, 20:00-22:00, Audimax


Sommersemester 2010: Promotionsaufbaustudium

Keine belegten Veranstaltungen


Wintersemester 2010/2011: Promotionsaufbaustudium

Im Büro Eckard Rolfs im Vom-Stein-Haus fand der Lektürekurs zu Hans Blumenbergs »Arbeit am Mythos« statt
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, März 2011)

090025
Einführung in die germanistische Literaturwissenschaft (VL)
Eric Achermann
Mo, 16:00-18:00, Fürstenberghaus

09???? (semi-offiziell, im kleinen Kreis)
Hans Blumenbergs Arbeit am Mythos (LK)
Eckard Rolf
Do, R 010, Vom-Stein-Haus


Sommersemester 2011: Promotionsaufbaustudium

Softwareschulungen am ZIV:

Excel I: Einsteigerkurs
Mo, 18.04.11, vierstündig, Einsteinstr. 60

Photoshop I: Einsteigerkurs
Di, 19.04.11, vierstündig, Einsteinstr. 60

Layouten mit InDesign
Mi, Do, 18./19.05.11, achtstündig, Einsteinstr. 60


Wintersemester 2011/2012: Promotionsaufbaustudium

Keine belegten Veranstaltungen


Sommersemester 2012: Promotionsaufbaustudium

Titelblatt meiner Dissertation: Exemplar der Zweitgutachterin Cornelia Blasberg
(Nico Schulte-Ebbert, denkkerker.com, Juni 2012)

Keine belegten Veranstaltungen

Einreichung der Dissertation


Wintersemester 2012/2013: Promotionsaufbaustudium

Keine belegten Veranstaltungen

Disputatio
Eric Achermann, Cornelia Blasberg, Klaus-Michael Köpcke
Do, 06.12.12, R 155, Vom-Stein-Haus


Die Bürde der Frühpromovierten

Zu seinem 100. Geburtstag im Jahre 2000 sprach Bernd H. Stappert mit dem Philosophen und Jubilar Hans-Georg Gadamer. Auf die Frage: »Hat Ihr Vater denn noch miterlebt, wie Sie, an sich doch sehr früh, als Zweiundzwanzigjähriger, schon promovierten?«, antwortete Gadamer:

»Ja, natürlich, er ist mit, kurz vor meiner Habilitation ist er gestorben. Aber wissen Sie, eine solche Habilitation [Promotion, NSE] mit zweiundzwanzig Jahren ist eine Kinderei, eigentlich doch die Schuld der Lehrer, denn daß das nichts taugt, ist doch klar, was man da macht und was man da kann.«

Diese lapidare Äußerung, dieses kritische Urteil Paul Natorps und Nicolai Hartmanns gegenüber, bei denen Gadamer mit der 127 Blatt umfassenden Arbeit Das Wesen der Lust nach den platonischen Dialogen promoviert worden war, erinnerte mich an eine Äußerung des damaligen Direktors des Instituts für Allgemeine Sprachwissenschaft der WWU Münster, Clemens-Peter Herbermann (1941-2011). In seiner Vorlesung »Allgemeine Zeichentheorie und Sprachzeichentheorie und ihre historischen Grundlagen« im Wintersemester 2004/2005 urteilte Herbermann über die Dissertationsschrift des Philosophen Johann Christoph Hoffbauer (1766-1827), mit der er sich zugleich habilitierte, Tentamina semiologica, si ve quaedam generalem theoriam signorum spectantia, daß diese »nicht sonderlich bedeutsam« sei und daß sie »das Niveau einer lateinisch verfaßten Seminararbeit« aufweise. (Mitschrift NSE, 28. Oktober 2004) 

Hoffbauer ist zum Zeitpunkt seiner Promotion/Habilitation dreiundzwanzig Jahre alt gewesen.


»Aus den Archiven: Hans-Georg Gadamer. Von der Kunst zu verstehen.« Deutschlandfunk: Sein und Streit. Das Philosophiemagazin, 6. September 2020, 11:41-12:03, http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2020/09/06/aus_den_archiven_hans_georg_gadamer_von_der_kunst_zu_drk_20200906_1322_62c05050.mp3.


Wortschatzerweiterung

Ein Beitrag des Deutschlandfunks erweiterte jüngst meinen Wortschatz: Ich erfahre, daß der von 1973 bis 1997 in Kassel lehrende und 2003 verstorbene Schweizer Soziologe und ›Promenadologe‹ Lucius Burckhardt Anfang der 1970er-Jahre ein experimentelles »Lehrcanapé« an der ETH Zürich eingerichtet hatte.

Nun ist ein Lehrstuhl allseits bekannt; er bezeichnet die planmäßige Stelle eines Hochschullehrers, entlehnt vom altgriechischen καθέδρα, dem erhöhten Pult oder Lesestuhl, »von welchem aus ein unterricht vorgetragen wird« (DWB 12, Sp. 578). Ein Kanapee hingegen ist ein luxuriöseres, bequemeres und größeres Möbelstück als ein Stuhl, auf dem man nicht nur alleine sitzen kann. Und genau dies bildet den Kern des Burckhardtschen Konzepts: Sein Lehrcanapé sollte als architektur-soziologischer Treffpunkt dienen, ein Ort, der von zwei Disziplinen besetzt wird, ein Sitzsofa, auf dem man ins Gespräch kommt, kurzum ein Raum, den man zu zweit durchmessen kann. Nicht nur die Universitäten täten gut daran, derartige Lehrcanapés häufiger zu installieren.


Martin Schmitz. »Von der Urbanismuskritik zur Spaziergangswissenschaft. Querfeldein denken mit Lucius Burckhardt (1/3).« Deutschlandfunk, 14. Juni 2015, www.deutschlandfunk.de/querfelde…


Jacques Derrida, der Thomas Mann der Philosophie

Vor einiger Zeit wurde ich in einem Antiquariat in Münster unfreiwillig Zeuge des folgenden Dialogs:

Er: »Schau mal (hält einen Junius-Band hoch): Derrida zur Einführung, das wär’ doch was für Dich!«
Sie: »Kenn ich nicht.«
Er: »Du kennst Jacques Derrida nicht?«
Sie: »Nö. Muß man den kennen?«
Er: »Moment! Du willst doch nächstes Semester mit Deiner Bachelorarbeit anfangen, oder?«
Sie: »Ja, aber doch nicht über diesen Jacques Derrida!«
Er: »Aber im Fachbereich Philosophie!«
Sie: »Ja und?«
Er: »Hallo?! Du studierst seit Jahren Philosophie, und der Name Derrida ist Dir nie begegnet?«
Sie: »Du hast Germanistik studiert. Kennst Du etwa jeden Schriftsteller?«
Er: »Natürlich nicht, aber jeder Germanist hat den Namen Thomas Mann zumindest mal gehört!«
Sie: »Den kennt ja jeder, ich auch!«
Er: »Siehste! Und Derrida ist in der Philosophie eben so wie Thomas Mann in der Germanistik.«
Sie: »Nun übertreib mal nicht! Dieser Derrida ist in den ganzen Jahren nicht in einer einzigen Klausur vorgekommen!«
Er (in Schockstarre verfallen, laut und tief atmend, ein Augenlid zuckt, stammelnd): »Klausur…«

Hätte ich dieses Gespräch nicht eigenohrig mitbekommen, ich hätte es nicht geglaubt. Der Junius-Band wurde übrigens zurück ins Regal gestellt. Er war schließlich nicht klausurrelevant.


Überzüchtung

Der Philosophiehistoriker Kurt Flasch kommt in seiner gelehrten Blumenberg-Biographie auf die schwierigen Umstände zu sprechen, unter denen der junge Kieler Doktorand in der Nachkriegszeit forschen mußte, wobei Flasch en passant einen formidablen Neologismus anbringt:

[...]; ich [Flasch] nehme den Text [der Dissertation] des 27-Jährigen [Blumenberg] als ein Werk der Jahre 1945 bis 1947, in denen allein schon die Literaturbeschaffung den Autor vor Schwierigkeiten stellte, die die Researchhengste von heute sich kaum noch vorstellen können.

Die männlichen, unkastrierten Pferde, die häufig zur Zucht eingesetzt werden, tauchen, laut Flaschs Metapher, in menschlicher Gestalt im heutigen Wissenschaftsbetrieb auf, um textuellen Forschungsnachwuchs am Fließband zu (er-)zeugen. Als Deckhengste des Geistes scheinen sie Züge des polymechanos Odysseus zu tragen; ihre Recherche führen sie mit List und Tücke, vor allem jedoch unter Zuhilfenahme mechanisch-technischer Mittel wie Computer, Suchmaschinen, ja Algorithmen generell. Peter Sloterdijk erinnert daran, daß »der Krieg von alters her das Polytechnikum der Ingenieure bedeutet«, und daß es daher nicht verwundere, »wenn das Beiwort polymechanos zuerst einem Krieger zugesprochen wurde.«

Ob als Hengste oder Krieger – das Attest des inzwischen 88jährigen Kurt Flasch behält seine Gültigkeit: Die Forscher der Gegenwart würden in der Nachkriegszeit auf verlorenen Posten stehen.


Kurt Flasch. Hans Blumenberg. Philosoph in Deutschland: Die Jahre 1945 bis 1966. Klostermann, 2017, p. 140.

Peter Sloterdijk. »Odysseus der Sophist. Über die Geburt der Philosophie aus dem Geist des Reise-Stress.« Was geschah im 20. Jahrhundert? Suhrkamp, 2016, pp. 253-90, hier p. 283.


Geistesarbeiter

Aus einer Doppelrezension erfahre ich, daß Michel Foucault täglich zwölf Stunden lang in der Bibliothèque nationale de France gesessen haben soll. Er kann somit als aktuelles Beispiel der bereits Anfang des 18. Jahrhunderts attestierten »fragilen Professorengesundheit« aufgrund chronischer Immobilität herangezogen werden.


Bruce Robbins. »The Other Foucault. What led the French theorist of madness and sexuality to politics?« Rezension zu Foucault: The Birth of Power und Foucault’s Last Decade, von Stuart Elden. The Nation, Nov. 2, 2017, www.thenation.com/article/t…

Nico Schulte-Ebbert. »Mens sana in corpore sano.« denkkerker, 21. Nov. 2016, denkkerker.com/2016/11/2…


Fontaneplag

Es ist still geworden um die Plagiatorenjäger. Die mediale Aufmerksamkeit, die ihnen noch vor wenigen Monaten mit den causae zu Guttenberg, Schavan oder von der Leyen zuteil geworden ist, scheint gänzlich den Themen Flüchtlingskrise, Populismus und Brexit gewichen zu sein. Da kommt einem der kurze Hinweis aus dem Jahre 1954 auf einen berühmten Abschreiber gerade recht:

Theodor Fontane, seines Zeichens Schriftsteller, kein Politiker, soll sich in seinem 1878 erschienenen Roman Vor dem Sturm. Roman aus dem Winter 1812 auf 13 großzügig aus anderen Quellen bedient haben. Arno Schmidt urteilt:

[D]er Kenner älterer Literatur stößt auf Schritt und Tritt erbittert auf Geschichten und Novellen, die er längst bei Krug von Nidda oder Fouqué vorher gelesen hat !

Ja, Fontane solle gar das gesamte Kapitel »Von Kajarnak, dem Grönländer« schamlos abgeschrieben haben, und zwar bei David Cranz’ bereits 1765 erschienener Historie von Grönland enthaltend Die Beschreibung des Landes und der Einwohner etc. insbesondere die Geschichte der dortigen Mission der Evangelischen Brüder zu Neu=Herrnhut und Lichtenfels, genauer: die Seiten 490 bis 531. Schmidt schließt sarkastisch: »[…] mit Grönländern läßt sich ein Berliner scheinbar besser nicht ein !«

Man möchte ergänzen: Die heutige, mit akademischen Meriten dekorierte Prominenz möge den Ehrgeiz und die Mittel der Plagiatorenjäger nicht unterschätzen!


Arno Schmidt. »Fontane und der Eskimo.« Essays und Aufsätze 1, herausgegeben von der Arno Schmidt Stiftung im Haffmans Verlag, 1995, pp. 156-9. Bargfelder Ausgabe, Werkgruppe III, Essays und Biographisches, Studienausgabe Bd. 3.


Mens sana in corpore sano

Im Jahre 1701 hielt der Helmstädter Mediziner Friedrich Schrader (1657-1704) eine Disputation über die fragile Professorengesundheit ab. Wer meine, Geistesarbeiter seien vor körperlicher Abnutzung gefeit, der lese die folgenden Zeilen:

Durch das beständige Sitzen und den Bewegungsmangel werden die Körperausscheidungen zurückgehalten, ein Fehler[,] den die Gelehrten ohnehin häufig durch geistige Abwesenheit begingen. Weil Gelehrte oft die Mahlzeiten vergessen und keinen Appetit verspüren, ist auch das Nahrungsangebot für den Körper zu niedrig. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Nachtarbeit, die die spiritus [Lebensgeister] verringere und nicht durch Schlafen am Tag zu kompensieren sei. Auch die Augen nehmen hierdurch Schaden, denn sie benötigen zum Funktionieren, die visorii spiritus. Das Austrocknen der Augen und nachlassende Sehschärfe seien die Folgen.

Das Leben im Denkkerker erscheint auf einmal als Hochrisiko-Existenz.


Hartmut Beyer. »Theorie der Lebensgeister. Professorenleiden in der Frühen Neuzeit.« Zeitschrift für Ideengeschichte, Heft X/4, Winter 2016, pp. 81-92.


Keine Tabus

Die noch immer faszinierende Tatsache, daß hinter Claude Lévi-Strauss’ ethnologischer Studie Les Structures élémentaires de la parenté (1949) die linguistische Phonem-Theorie Roman Jakobsons steckt – quasi unter der Haube –, zeigt, daß das Heranziehen von fachfremden Erkenntnissen zu überraschenden, neuen, ja epochalen Ansichten führen kann. Man sollte also mit offenen Augen und einem panoramatischen Blick durch die Welt gehen, um Beziehungen und Gegensätze breiter betrachten und klassifizieren zu können.


Adam Kuper. »Philosopher among the Indians.« Rezension zu Lévi-Strauss, von Emmanuelle Loyer. The Times Literary Supplement, Oct. 12, 2016, www.the-tls.co.uk/lives/bio…


Ein Gespenst geht um

Ich erfahre aus der Boston Review, daß sich das philosophisch-literarische Projekt der Dekonstruktion in den USA an Yales Komparatistik-Fachbereich, namentlich mit einem Nietzsche-Seminar Paul de Mans im Jahre 1971 zu etablieren begann. Das Werk Derridas blieb in dieser Anfangszeit nahezu unbeachtet. Heutzutage spukt es – ebenso wie die (vermeintliche) Praxis der Dekonstruktion – als sich permanent verwandelndes Gespenst umher.


Gregory Jones-Katz. »Deconstruction: An American Tale.« Boston Review, Sept. 30, 2016, bostonreview.net/books-ide…


Dotedu-Blase

Aus der New York Review of Books erfahre ich, daß sich in den USA eine 1,2 Billionen Dollar große Studienschuldenblase gebildet habe. Wohl dem, dem die Bürde eines überbewerteten Hochschulabschlusses erspart bleibt!


Rana Foroohar. »How the Financing of Colleges May Lead to DISASTER!« The New York Review of Books, Oct. 13, 2016, vol. LXIII, no. 15, pp. 28-30.


Zwischen digitaler und Neuro-Geisteswissenschaft

Ich befürchte, daß immer mehr vermeintlich geisteswissenschaftliche Disziplinen durch die Implementierung vermeintlich naturwissenschaftlicher Methoden eine höhere Akzeptanz, verbesserte Plausibilität und letztlich eine Stärkung ihrer bröckelnden Existenzberechtigung zu erzielen versuchen. Oder mit den Worten Alissa Quarts:

Neurohumanities, then, is an attempt to provide the supposedly loosey-goosey art and lit crowds with the metal spines of hard science.

Und »hard science« bedeutet zugleich auch die Möglichkeit, »hard money« zu scheffeln. Man muß die Entwicklung dieser noch seltsam anmutenden interdisziplinären Verquickung abwarten, vor allem aber ihre Ergebnisse. Noch würde ich mich Jennifer Ashton anschließen, die in Quarts Artikel mit den Worten zitiert wird:

How your brain is firing won’t tell you if something is ironic, metaphorical or meaningful or if it is not.


Alissa Quart. »Adventures in Neurohumanities.« The Nation, May 8, 2013, https://www.thenation.com/article/adventures-neurohumanities/.

[Ursprünglich gepostet auf _Google+_]


Ferdinand de Saussure: Die Sprache als Begriffsdublette

Während Google an diesem 22. Februar 2013 an Arthur Schopenhauers 225. Geburtstag erinnert, möchte ich auf Ferdinand de Saussures 100. Todestag hinweisen. Der folgende Text bildet die leicht überarbeitete Version eines Kapitels meiner Magisterarbeit Die Topographie des Labyrinths. Zur Semiotik des Raummodells in den Romanfragmenten Franz Kafkas aus dem Jahr 2006 ab.


Das Klassifizierungssystem, mit dessen Hilfe der Schweizer Linguist Ferdinand de Saussure (1857-1913) die Sprache betrachtet, ist zum Referenzobjekt strukturalistischer Analysen geworden. Indem Claude Lévi-Strauss, Jacques Lacan oder Roland Barthes de Saussures Methodologie über die Grenzen der Linguistik hinweg auf Ethnologie, Psychoanalyse oder die Mode anwandten, zeigten sie, daß menschliches Wissen und Handeln stets sprachlich manifestiert und somit zeichentheoretischen Ursprungs sind: »Ein Kleidungsstück, ein Auto, ein Fertiggericht, eine Geste, ein Film, ein Musikstück, ein Bild aus der Werbung, eine Wohnungseinrichtung, ein Zeitungstitel – offenbar lauter bunt zusammengewürfelte Gegenstände. Was können sie miteinander gemein haben? Zumindest dies: Sie alle sind Zeichen.« (Roland Barthes. »Die Machenschaften des Sinns.«)

Entscheidend dabei ist die Ansicht, daß jegliche Bedeutung systemimmanent – nämlich durch Differenzbildung an sich bedeutungsloser Elemente – generiert wird. Diese Fokussierung auf ein internes Beziehungsgeflecht ist für das Denken de Saussures ebenso charakteristisch wie die Beliebigkeit (Arbitrarität) des sprachlichen Zeichens*. Inwieweit es sich jedoch bei den Vorlesungsmitschriften der Jahre 1906-11, welche die Textgrundlage des Cours de linguistique générale bilden, tatsächlich um de Saussures Überlegungen handelt, bleibt Aufgabe der Editionsphilologie. Es wird im Folgenden aus der 3. Auflage der im Jahr 2001 bei Walter de Gryter erschienenen Grundfragen der Allgemeinen Sprachwissenschaft zitiert. Sämtliche Belegstellen werden als Äußerungen de Saussures aufgefaßt.

Ferdinand de Saussure begreift Sprache – auf den bestimmten Artikel wird aufgrund des Universalitätsanspruches verzichtet – als eine »soziale Institution«, als Vermittlerin von Ideen. Dabei vertritt er konstruktivistische Ansichten, wenn er behauptet: »Man kann nicht einmal sagen, daß der Gegenstand früher vorhanden sei als der Gesichtspunkt, aus dem man ihn betrachtet; vielmehr ist es der Gesichtspunkt, der das Objekt erschafft; […].« De Saussure trennt Sprache (langue) vom Sprechen (parole) und damit »1. das Soziale vom Individuellen; 2. das Wesentliche vom Akzessorischen und mehr oder weniger Zufälligen«. Da de Saussure selbst auf die Unzulänglichkeiten einer adäquaten Übersetzung seiner Termini hinweist, werden im Folgenden auch die französischen Begriffe verwendet. Das Hauptaugenmerk des hier gegebenen Überblicks ruht auf der langue, ihrer semeologischen** Darstellung und ihrem Verhältnis zur Schrift.

Das sprachliche Zeichen (signe) ist laut de Saussure eine Begriffsdublette***, die aus dem Oppositionspaar signifié und signifiant besteht und »beliebig«, das heißt »unmotiviert« ist.

Die Begriffsdublette nach Ferdinand de Saussure, via Liliane Fainsilber

Vorstellung und Lautfolge unterliegen keiner natürlichen Bindung. Der Akt des Bezeichnens – das Verweisen auf ein außersprachliches Denotat durch ein Zeichen – beruht auf einer »Kollektivgewohnheit«. Wenn hier von Lautfolge die Rede ist, so meint dieser Begriff keineswegs die Äußerung einer Vorstellung als physikalische Manifestation. Im Gegenteil handelt es sich bei beiden Zeichenkomponenten um psychische Größen, die die Voraussetzung des Sprechens bilden. Wie schon Johann Gottfried Herder spricht auch de Saussure der Sprache eine orientierung- beziehungsweise ordnunggebende (und keine abbildende) Funktion zu. Gedanken (pensées) und Laute (sons) sind eine chaotische, amorphe Masse, die durch Sprache organisiert und geformt wird. Sowohl die Selektion eines Elements der penseés als auch dessen Kombination mit einem Gegenstück aus dem Bereich der sons sind arbiträr – und konventionell! Auf Basis dessen läßt sich die Vielfältigkeit der Sprachen erklären: »So ist die Vorstellung ›Schwester‹ durch keinerlei innere Beziehung mit der Lautfolge Schwester verbunden, die ihr als Bezeichnung dient; sie könnte ebensowohl dargestellt sein durch irgendeine andere Lautfolge: […]

Neben der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens stellt de Saussure als zweiten, wesentlichen Grundsatz die Linearität des Signifikanten heraus: »Das Bezeichnende, als etwas Hörbares, verläuft ausschließlich in der Zeit und hat Eigenschaften, die von der Zeit bestimmt sind: a) es stellt eine Ausdehnung dar, und b) diese Ausdehnung ist meßbar in einer einzigen Dimension: es ist eine Linie.« Der physikalische Parameter Zeit fungiert – wie schon die Sprache als Ganzes – als Organisationsprinzip, das zur Charakterisierung des Ablaufs sprachlicher Ereignisse verwendet wird und durch strukturalistische Kontiguitätsanalysen eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren hat. Die Schrift ist dabei das Mittel par excellence, das »die räumliche Linie der graphischen Zeichen an Stelle der zeitlichen Aufeinanderfolge setzt«. Dieser syntagmatischen Ebene, die Elemente »in praesentia« enthält, stellt Ferdinand de Saussure eine paradigmatische entgegen, deren Glieder »in absentia« verbunden werden und die er als »Sphäre[] [der] assoziative[n] Beziehungen« beschreibt: »Andererseits aber assoziieren sich außerhalb des gesprochenen Satzes die Wörter, die irgend etwas unter sich gemein haben, im Gedächtnis, und so bilden sich Gruppen, innerhalb deren sehr verschiedene Beziehungen herrschen. So läßt das Wort Belehrung unbewußt vor dem Geist eine Menge anderer Wörter auftauchen (lehrenbelehren usw., oder auch Bekehrung, Begleitung, Erschaffung usw., oder ferner Unterricht, Ausbildung, Erziehung usw.).«

Der Begriff der Assoziation verweist bereits auf den nicht-linearen, rhizomartigen Charakter dieses Verbindungstypus, der Analogien nach Sinn und/oder Form herstellt. Da de Saussure die Relationalität bereits in seinen Zeichenbegriff integriert hat, liegt es an den Unterschieden der Zeichenwerte (valeurs), distinktive Merkmale auszumachen. Bedeutung entsteht durch Differenzen im System: »Alles Vorausgehende läuft darauf hinaus, daß es in der Sprache nur Verschiedenheiten gibt. Mehr noch: eine Verschiedenheit setzt im allgemeinen positive Einzelglieder voraus, zwischen denen sie besteht; in der Sprache aber gibt es nur Verschiedenheiten ohne positive Einzelglieder

Ein außersprachliches Referenzobjekt ist bei der Bedeutungskonstituierung ebenso auszugrenzen, wie das sprechende Subjekt selbst, das keinerlei individuellen Einfluß auf die soziale Institution Sprache (langue) besitzt.

Innerhalb der mentalistisch geprägten Zeichenkonzeption de Saussures stellt die Sprache »ein System von Zeichen« dar, das mit der »Schrift, dem Taubstummenalphabet, symbolischen Riten, Höflichkeitsformen, militärischen Signalen usw. usw. vergleichbar« ist, »[n]ur sie das wichtigste dieser Systeme.« De Saussure begreift also das schriftliche Zeichensystem als ein dem sprachlichen untergeordnetes: »Sprache und Schrift sind zwei verschiedene Systeme von Zeichen: das letztere besteht nur zu dem Zweck, um das erstere darzustellen.« Trotz ihres Supplementcharakters, den die Schrift in einer Sprachwissenschaft per definitionem verliehen bekommt, ist sie im allgemeinen doch vielmehr der Rede übergeordnet: das Schriftbild erscheint als normiertes, beständigeres, verlässlicheres Speichermedium inmitten eines Kommunikations-, Bildungs- und Forschungshorizonts.


*Der häufig unreflektiert übernommene Begriff der Arbitrarität ist – wie Roman Jakobson im Jahr 1962 anmerkt – »eine äußerst unglückliche Bezeichnung«, denn »[d]er Zusammenhang zwischen einem signans und einem signatum, den Saussure willkürlicherweise arbiträr nennt, ist in Wirklichkeit eine gewohnheitsmäßige, erlernte Kontiguität, die für alle Mitglieder der gegebenen Sprachgemeinschaft obligat ist.« (Roman Jakobson. »Zeichen und System der Sprache.«)

**Da Sprache ein »System von Zeichen [ist], die Ideen ausdrücken«, nennt de Saussure »eine Wissenschaft, welche das Leben der Zeichen im Rahmen des sozialen Lebens untersucht […] Semeologie«.

***Der oftmals verwendete Terminus Dichotomie wird aufgrund seiner Übersetzung als ein Zweigeteiltes vermieden, da das sprachliche Zeichen mit einem Blatt Papier vergleichbar ist, denn »man kann die Vorderseite nicht zerschneiden, ohne zugleich die Rückseite zu zerschneiden; ebenso könnte man in der Sprache weder den Laut vom Gedanken noch den Gedanken vom Laut trennen; […]